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Arbeiten wie alle anderen
Im Sozialausschuss wird ein mangelnder Ausbau arbeitsmarktintegrierender Maßnahmen thematisiert
In Deutschland hat der Bundesrat 2023 dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes zugestimmt. Dieses verpflichtet, private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen, wenigstens fünf Prozent davon an schwerbehinderte Menschen zu vergeben. Für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz müsse eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden. Im selben Jahr hat die UN zum zweiten Mal die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland geprüft und Empfehlungen ausgesprochen. Unter anderem forderte sie eine Strategie, um Menschen mit Behinderung von Arbeit in Werkstätten zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.
Jene Prüfung der UN-BRK in Deutschland sprach auch die Abgeordnete Catrin Wahlen (Grüne) am Donnerstag im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Abgeordnetenhauses an. Gemeinsam mit der Linksfraktion hatte sie beantragt, den Stand der inklusiven Berufsausbildung in der Hauptstadt zu thematisieren. Anwesend waren Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) und drei Sprecher*innen von Vereinen für die Berufsausbildungsintegration für Menschen mit Behinderung.
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Ende 2021 waren rund 3,1 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland schwerbehindert. Als schwerbehindert gilt, wer einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 Prozent aufweist. Rund die Hälfte schwerbehinderter Menschen waren zum Zeitpunkt der Erfassung erwerbstätig. Obwohl sich diese Zahl in den letzten Jahren erhöht hat – 2005 lag die Quote noch bei 41,6 Prozent –, liegt sie deutlich unter der Quote für die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung insgesamt. Dies geht aus dem aktuellsten Bericht der Agentur für Arbeit hervor.
Martina Bausch ist Vereinsvorstand im Netzwerk für betriebliche Integration und Sozialforschung (BIS). BIS integriert Menschen mit Behinderung durch berufsberatende und begleitende Maßnahmen. Bausch erzählt, dass sie gerade erst zwei ehemalige Klientinnen traf, die mehr als zehn Jahre sozialversicherungspflichtig tätig seien. Sie sieht allerdings »Stolpersteine« in der Informationsvermittlung. Betriebe seien nicht ausreichend in Kenntnis über Fördermöglichkeiten begleitender inklusiver Maßnahmen, genauso wenig wie die Beziehenden der sozialen Arbeit selbst. Sie fordert unter anderem einen kostenfreien Rechtsbeistand für Menschen mit Behinderung.
Wahlen spricht von einem »Skandal« bezüglich des fehlenden kostenfreien Rechtsbeistands für Menschen mit Behinderung und appelliert an den Senat, »enstehende Sonderwelten zu überwinden«. Gegenüber »nd« betont Wahlen, dass die Ratifizierung der UN-BRK in Deutschland bedeute, dass »alle Ausbildungsinteressierten mit ihren individuellen Lernbedürfnissen das Recht auf diskriminierungsfreie Teilhabe am regulären Arbeitsmarkt haben«.
Wer für nicht mehr als drei Stunden am Tag erwerbsfähig ist, der darf in sogenannten Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten. So zumindest laut Agentur für Arbeit. Stefan Schenck vom spendenfinanzierten Verein »Statt Werkstatt« will, dass es weniger Zustrom zu den Werkstätten gibt. Er eröffnet sein Plädoyer im Sozialausschuss mit einem Verweis auf den Song »The Hiring Chain« von Sting. Der Song gebe ein Beispiel dafür, dass durch die Einstellung einer Bäckerin mit Trisomie 21 weitere Arbeitgeber, die in der Bäckerei einkaufen, Menschen mit Trisomie 21 einstellen. »Ist das eine Wunschvorstellung?«, fragt er im Ausschuss. Seine Antwort lautet: »mitnichten, nein«. Er verweist auf Aussagen der Leiter*innen der Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderungen bei der Strategiekonferenz Inklusion im November 2023: Demnach seien von 8000 Beschäftigten in den Werkstätten 30 Prozent vermittelbar.
Belastbare statistische Daten zeigt auch eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von 2023. Diese zeigt, dass 82 Prozent der Beschäftigten, die mit der Arbeit in den Werkstätten anfangen, davon überzeugt sind, über mehr Potenzial zu verfügen als sie dort entfalten könnten. Aber nur 0,35 Prozent aller Beschäftigen schaffen es, in den regulären Arbeitsmarkt zu wechseln. Die Studie nennt als Gründe unter anderem eine fehlende anerkannte Qualifizierungsmöglichkeit, um dem regulären Arbeitsmarkt gerecht zu werden.
»Beratende in den Diensten müssen weiter geschult und sensibilisiert werden, sodass diese auf bestehende Möglichkeiten einen Beruf zu erlernen, der sich nicht im Werkstattbereich befindet, verweisen können«, sagt Wahlen. Darüber hinaus brauche es eine nachhaltige Finanzierung unabhängiger Beratungsstrukturen für Behinderte sowie für Betriebe.
Cansel Kiziltepe spricht an diesem Donnerstag im Kontext des Damoklesschwerts Pauschale Minderausgaben (PMA) und Sozialkürzungen von »nicht titelscharf«. Soll heißen, wie sich die PMA auflöst und welchem sozialen Träger wie viel Geld zustehe, werde erst vor der Sommerpause entschieden. Klar ist: In der inklusiven Arbeit sind vom Land lediglich »Barrieren? Nein Danke! 2« und »Berufsorientierung compakt 3.0« gefördert. Die Förderung läuft Ende des Jahres aus.
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