»Das ist keine Sozialwohnung, oder?«

Nichts für Betonköpfe: Wie zwei Immobilienentwickler im Raum Trier den sozialen Wohnungsbau modernisieren

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 7 Min.
Es gibt auch Kunst im Bau, geplant von Eitel und Koch.
Es gibt auch Kunst im Bau, geplant von Eitel und Koch.

Wer lebt eigentlich in einer Sozialwohnung? Werfen wir mal einen Blick hinter die Türen: Da gibt es den Schauspieler vom städtischen Theater, der großen Beifall, aber nur ein kleines Gehalt bekommt. Zu wenig, um zu den üblichen Mieten eine adäquate Wohnung für seine Familie bezahlen zu können. Oder die alleinerziehende Verwaltungsangestellte, deren Halbtagsjob nicht genug abwirft. Oder das Rentnerehepaar, das sich im luxussanierten Altbau die Wohnung nicht mehr leisten kann.

Ist es Ihnen aufgefallen? Es handelt sich um Menschen, die man früher zur sogenannten Mittelschicht gezählt hätte. Nur wird das Wohnen auch für diese Leute immer teurer und häufig unbezahlbar. Daran tragen private Investoren Mitschuld. Ein nicht unerheblicher Teil der Wohnungen, die in den vergangenen Jahrzehnten gebaut wurden, zielte auf das gehobene Segment ab.

Der Markt dafür war da. Nachdem sich die Nachteile des Landlebens (lange Pendelei, fehlende Infrastruktur, schlechtes Freizeitangebot) herumgesprochen hatten, zog es wohlhabendere Menschen wieder verstärkt in die Stadt. Nicht nur Familien, sondern auch Senioren, denen bewusst geworden war, dass ein großes leeres Haus im Alter eine Last ist. In der Folge boomten luxuriöse Wohnkomplexe mit Penthäusern und Lofts, zumal das »Betongold« eine attraktive Investmentanlage zu sein schien. Und falls es einem an Kleingeld mangelte, nahm man einen praktisch zinsfreien Kredit auf. Da spielte es keine Rolle, wenn die Fünf-Sterne-Wohnung in der City 100 000 Euro teurer war als noch ein Jahr zuvor.

So spitzte sich die Situation auf dem normalen Immobilienmarkt zu. In dem Maß, in dem die Quadratmeterpreise in die Höhe schossen, wurde bezahlbarer Wohnraum knapp. Doch anstatt diese Nachfrage zu bedienen, baute man weiterhin teuer. Das sollte sich rächen. Jede Blase platzt irgendwann. Erinnert sich noch jemand an den Nach-Wende-Bauboom im Osten? Die Zahl der Menschen, die 160-Quadratmeter-Penthäuser kaufen oder mieten können, ist am Ende doch überschaubar. Seitdem die Inflation und damit auch die Hypothekenzinsen munter klettern, bleiben viele auf ihren überteuerten Häusern und Wohnungen sitzen. Immobilien, die eben noch für eine Million Euro angeboten wurden, sind plötzlich für 800 000 zu haben. Was für die meisten Familien immer noch unerschwinglich ist.

Jan Eitel, Chef einer Trierer Projektentwicklungs- und Baugesellschaft, hat diese Entwicklung bereits in den 10er Jahren kommen sehen. Dies fiel ihm leicht, weil er – ungewöhnlich für einen Mann der Immobilienbranche – aus eigener Erfahrung auch die andere Seite des Wohnungsmarkts kennt. Er wuchs in einer Sozialwohnung auf und ist dankbar dafür. »Heute weiß ich: Auf dem freien Markt hätte es für das gleiche Geld keine vergleichbare Wohnung gegeben. Natürlich habe ich schon früher begriffen, dass wir nicht reich waren. Kinder spüren so was. Aber unsere Wohnung und das Umfeld, in dem wir lebten, waren in Ordnung. Es war Mittelschichtniveau – nur eben bezahlbar.«

Diese Erkenntnis kam ihm zugute, als er 2016 auf Initiative seines langjährigen Kompagnons Martin Koch – ebenfalls Überzeugungstäter – eine Baugesellschaft mit ins Boot holte und die Immprinzip gründete. Ihnen stand nicht der Sinn nach einer weiteren Baufirma für Luxusimmobilien. Stattdessen machte man eine einfache, überzeugende Rechnung auf: Geförderter Wohnungsbau bedeutet regelmäßige Einnahmen – eine erschwingliche Wohnung findet immer Mieter.

Besser Wohnen – »Das ist keine Sozialwohnung, oder?«

Doch wie sieht es mit den Baukosten aus? Auch diese kannten in den vergangenen Jahrzehnten nur eine Richtung: steil nach oben. Vor allem die Baunebenkosten sind explodiert. Bei manchen Projekten hatte man den Eindruck, sie dienten nur der Selbstverwirklichung von Architekten. Repräsentatives, opulentes Bauen – mit aufwendigen Fassaden, Patio und monumentalem Treppenhaus – hat seinen Preis. Und dieser wird durch wartungsintensive, störanfällige Hightech weiter hochgetrieben. Spätestens, wenn man die Jahresabrechnung sieht, wirkt »Smart Home« gar nicht mehr so smart.

Der Anspruch des Duos Eitel und Koch ist ein anderer. Sie wollen sinnvoll geschnittene Sozialwohnungen auf hohem Qualitäts- und Wärmedämmniveau bauen. Und dabei auch noch den Kohlendioxidausstoß runterfahren. Mit der gängigen Betonbauweise ist dies weder ökologisch noch ökonomisch möglich. Etwa acht Prozent der durch Menschen versuchten CO2-Emissionen sind das Ergebnis der Betonproduktion. Dagegen ist selbst der Flugverkehr mit 2,8 Prozent moderat. Zugleich geht mit der Betonherstellung ein aberwitziger Verbrauch an Wasser, Kies und Zement einher. Kein Witz: Selbst die schier endlose Ressource Sand wird zunehmend knapper – und damit teurer.

Für die beiden Immobilienentwickler stellte sich daher die Frage: Wie lassen sich in Zeiten explodierender Baustoffkosten noch erschwingliche Wohnungen errichten? Die Antwort fanden sie in der Vergangenheit und in der Zukunft zugleich: Über Jahrtausende hinweg prägte der Werkstoff Holz das Bauen weltweit. Wer nicht »steinreich« war (und das waren die wenigsten), setzte auf dieses natürliche nachwachsende Material. Es gab dafür gute Gründe. Und nicht der unerheblichste war die robuste Qualität. Davon zeugen die zahllosen Fachwerkhäuser in ganz Europa. Allein in Deutschland gibt es noch zwei Millionen dieser Bauten; viele davon sind über 500 Jahre alt.

Eitel und Koch besannen sich des bewährten Holzbaus und »übersetzten« ihn ins 21. Jahrhundert. Das Ergebnis nennt sich Holzhybrid. Die Verbindung aus einem rasterartigen Stahlskelett, das sich wie Strohhalme über mehrere Stockwerke erstreckt, mit einer Holzkonstruktion ermöglicht deutlich niedrigere Herstellungskosten.

Zugleich sorgt dieses einfache Bauprinzip dafür, dass auch die Planungskosten eingedämmt werden. Man braucht keine Star-Architekten, die mit ihren Entwürfen zwar Fachwelt und Wettbewerbsjurys überzeugen, aber nicht den Bauherrn, der am Ende die Rechnung präsentiert bekommt. Eitels Sozialwohnungen haben einen großen Balkon und viel natürliches Licht – aber kein Design-Chichi und Hightech-Schnickschnack. Mit seinen Wohnungen gewinnt er keine Architekturpreise, dafür aber die Herzen der Menschen, die dort leben.

Dazu tragen auch die Details bei. Ein Treppenhaus muss nicht ausladend sein, um Eindruck zu machen. Wer sagt denn, dass es Kunst nur in Museen und Gemäldegalerien gibt! Auch müssen Sozialwohnungen nicht mit gleichförmigen Massenbriefkästen und anonymen Klingelbrettern einhergehen. Indem bereits am Haupteingang optisch signalisiert wird, dass hier keine Nummern leben, sondern Individuen, erfährt das Haus eine Aufwertung und seine Bewohner die Wertschätzung, die ihnen zusteht.

Und wie ist es um die finanzielle Nachhaltigkeit bestellt? Auch in dieser Hinsicht überzeugt der geförderte Wohnungsbau Marke Immprinzip. Da Förderbank (zum Beispiel die rheinland-pfälzische ISB oder die baden-württembergische L-Bank), Hausbank und Mini-Immobilienfonds sich die Finanzierung teilen, steht jedes Projekt auf grundsoliden wirtschaftlichen Füßen. Der Rest läuft automatisch: Sobald die Mieter eingezogen sind, fließen – anders als bei leerstehenden Lofts – stete Einnahmen.

Bereits am Haupteingang wird signalisiert, dass hier keine Nummern leben, sondern Individuen.
Bereits am Haupteingang wird signalisiert, dass hier keine Nummern leben, sondern Individuen.

Doch auch die Mieter profitieren. Wohnen wird wieder bezahlbar. In Karl Marx’ Geburtsstadt Trier, wo die Wurzeln der Firma liegen, müssen im Schnitt zwölf Euro pro Quadratmeter auf den Tisch gelegt werden. Für eine Sozialwohnung made by Eitel & Koch genügen hingegen 6,40 bis 6,80 Euro. Und in Mannheim, wo man ebenfalls einige Projekte verwirklicht hat, liegt man 30 Prozent unter den ortsüblichen Mieten.

Zudem ist Immprinzip Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). »KfW 40 ist eine sinnvolle Sache, doch Nachhaltigkeit bedeutet für uns mehr als eine solide Wärmedämmung«, stellt Koch klar. Mit der DGNB hat er einen Partner an seiner Seite, der eine autarke Energieversorgung fördert und forciert. Die Sozialwohnungen erhalten dank Wärmepumpen, Fotovoltaik- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen unabhängigen Direktstrom. Das kommt günstiger, als ihn bei Energieversorgern zu kaufen.

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Nachhaltigkeit ist für Eitel aber auch ein gesellschaftliches Anliegen: »Wer sich mit seinem Viertel, seinem Kiez identifiziert, bringt sich stärker ins Gemeinschaftsleben ein.« Seine Erfahrung ist die, dass ein familienorientierter geförderter Wohnungsbau mit gedeckelten Mieten gemischte, offene Bewohnerstrukturen begünstigt – und damit Austausch und Engagement. »Es ist uns auch wichtig, dass in unseren Gebäuden unterschiedliche Generationen zusammenkommen und voneinander profitieren. Dazu tragen gemeinsame Serviceangebote und Gemeinschaftsräume bei.«

Daher sieht Jan Eitel in der jetzigen Immobilienkrise auch eine Chance. »Unsere Branche ist in eine Sackgasse geraten. Das wird manchen grad schmerzhaft bewusst. Manchmal muss man eben auf die Nase fallen. Erst dann merkt man, dass es nicht wie gewohnt weitergehen kann.«

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