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Mexiko: Gegenwehr in Rosa
Die mexikanische Opposition mobilisiert gegen geplante Reformen des Wahlsystems
Jährlich grüßt das Murmeltier: Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador will nun zum dritten Mal in Folge Reformen des Wahlrechts durchboxen. Das mobilisierte Zehntausende auf den Zócalo, den zentralen Hauptplatz von Mexiko-Stadt. Es ist nicht das erste Mal, dass gegen das Vorhaben des Präsidenten demonstriert wird. Vergangenen Sonntag versammelten sich laut Stadtregierung rund 90 000 Menschen. Gehüllt in Rosa, die Farbe des Nationalen Wahlinstituts INE, wurde zum »Marsch für unsere Demokratie« aufgerufen.
Seit er 2018 an die Regierung kam, ist dem Präsidenten die Wahlbehörde ein Dorn im Auge. Er versprach Veränderungen seit seinem Amtsantritt. López Obrador kritisiert die aus seiner Sicht zu hohen Gehälter der Mitarbeiter*innen. Der unabhängigen Einrichtung warf er vergangenes Jahr vor, »Wahlurnen zu fälschen«, »zu betrügen« sowie »Stimmen zu kaufen«.
Reformpaket ist auf dem Weg
Am 5. Februar schickte Staatschef López Obrador ein ganzes Reformpaket an den Kongress. 20 Gesetze möchte der selbst ernannte Linke Änderungen unterziehen. Er plant unter anderem die Umbenennung der Wahlbehörde INE (Instituto Nacional Electoral) in INEC (Instituto Nacional de Elecciones y Consultas). Zudem möchte er die Zahl der Berater*innen reduzieren (von elf auf neun), die bei der Wahlbehörde tätig sind, und deren Amtszeit von neun auf sechs Jahre verringern. Politische Parteien sollen darüber hinaus weniger Budget bekommen. Eine frühere Version seines Vorhabens wurde 2022 vom Obersten Gerichtshof, als verfassungswidrig eingestuft.
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Einziger Redner der Kundgebung vom Sonntag war Lorenzo Córdova, einst selbst Chef der unabhängigen Behörde. Jetzt sieht er die Demokratie in Gefahr, beklagt im Interview mit »El Heraldo de México« die Spaltung und Polarisierung des Landes unter der aktuellen Regierung López Obradors. Der Präsident wirft Córdova wiederum vor, sich als potenzieller Kandidat der Opposition profilieren zu wollen; das bestreitet Córdova jedoch vehement.
Am 2. Juni dieses Jahres wird in Mexiko gewählt. Die besten Aussichten haben die beiden Kandidatinnen Claudia Sheinbaum (Regierungspartei Morena) sowie Xóchitl Gálvez (Oppositionsbündnis PAN-PRI-PRD). Damit werden diese Wahlen schon jetzt zu einer kleinen Revolution: Mexiko bekommt die erste Frau als Präsidentin.
Historisch wird auch die Dimension dieser Wahlen. Nicht nur das Staatsoberhaupt, auch Gouverneure verschiedener Bundesstaaten sowie der oder die Bürgermeister*in von Mexiko-Stadt werden gewählt. Letzteres ist ein politisch relevanter Posten: Der jetzige Präsident López Obrador war einst Bürgermeister der Hauptstadt. Seine Nachfolgerin Claudia Sheinbaum, die die Umfragen anführt, hatte das Amt bis zu ihrer Aufstellung als Präsidentschaftskandidatin inne. Nach Transparenten auf Kundgebungen im ganzen Land zu urteilen lehnen viele die Reformabsichten des Präsidenten ab (»Hände weg vom INE!«). López Obrador möchte Bundesrichter zudem vom Volk bestimmen lassen – selbst die des Obersten Gerichtshofes (SCJN).
Die größten Wahlen in der mexikanischen Geschichte
Es werden die größten und aufwendigsten Wahlen in der Geschichte der Nation. Über 20 000 politische Posten werden insgesamt vergeben. Sechs Jahre dauert die Amtszeit des Staatsoberhaupts. Eine Wiederwahl ist laut Verfassung nicht möglich. Die derzeitige Favoritin Sheinbaum gehört jedoch zur Morena-Partei des Präsidenten – und ihre Politik wird als Fortführung der des Präsidenten gehandelt.
Kritiker*innen befürchten bei dem Vorhaben vor allem eine Aushöhlung der Unabhängigkeit der Instanz; Ex-Wahbehördenchef und Redner Lorenzo Córdova sagte am Sonntag: »Verlieren wir die Wahlbehörde INE, dann verlieren wir den wichtigsten Garanten für freie Wahlen. Es würde die Rückkehr der Kontrolle der Regierung über die Wahlen bedeuten.«
Eine fehlende Unabhängigkeit staatlicher Institutionen von der regierenden Partei – damit hat Mexiko über 70 Jahre lang Erfahrung. Die PRI-Partei regierte von 1929 bis zum Jahrtausendwechsel autoritär als Einheitspartei. Unter den Demonstrant*innen waren viele Anhänger*innen der Oppositionsparteien, die in einem breit aufgestellten Bündnis mit der Kandidatin Xóchitl Gálvez ein Gesicht bekommen haben.
Dania Ravel vom Gremium der Wahlbehörde INE sieht auf nd-Nachfrage vor allem den Zeitpunkt der geplanten Reformen kritisch, etwa für die Erneuerung der Präsidentschaft des Allgemeinen Rates: »Es wäre wünschenswert, dass die Erneuerung dieses besonderen Amtes nicht am Vorabend des Beginns eines föderalen Wahlprozesses stattfindet, bei dem auch die Präsidentschaft der Republik erneuert wird.« Derartige Reformen stellten eine »zusätzliche institutionelle Herausforderung« dar, zumal eine historische Zahl an Ämtern in diesem Wahljahr erneuert wird.
Gewinnt Claudia Sheinbaum, ideologisches Ziehkind des Präsidenten, dürfte es politisch spannend werden, welche Modifikationen die Wahlbehörde INE noch erlebt.
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