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Goodyear Fürstenwalde: »Chancen sind da, das Werk zu erhalten«
Goodyear-Betriebsrat Peter Weiser will die Reifenproduktion in Fürstenwalde retten
Im November sprachen Sie von einem Schockzustand, in den die Belegschaft versetzt sei durch die Ankündigung von Goodyear, 700 Arbeitsplätze streichen und die Reifenproduktion in Fürstenwalde einstellen zu wollen. Wie ist die Stimmung heute, drei Monate später?
Der Betriebsrat hat sich seitdem kundig gemacht, sich Berater zur Seite geholt und sich vorbereitet. Wir haben die Situation angenommen und nehmen unsere Verantwortung wahr. Die Stimmung ist aber weiter angespannt. Wir, die Betriebsräte, können aber mit der Situation jetzt besser umgehen und unsere Kollegen mitnehmen.
Wo verorten die Beschäftigten Verantwortung für die gegenwärtige Lage?
Ganz klar bei der Geschäftsführung von Goodyear, aber auch bei der vergangenen und aktuellen Politik in Deutschland. Ich persönlich möchte nicht alles auf die heutige Politik schieben. Auch in den Jahren davor wurde nicht so sehr viel für den Erhalt der Wirtschaftskraft in Deutschland getan.
Gewerkschaft und Betriebsrat wollen den Standort als solchen erhalten. Goodyear hingegen will bisher nur über einen Sozialplan für die Schließung verhandeln, hat sogar jüngst eine Betriebsversammlung abgesagt. Wie schätzen Sie aktuell die Chancen ein, Ihre Ziele durchzusetzen? Was würde am ehesten einen Durchbruch bringen?
Chancen sind immer da, einen Standort zu erhalten. Wir sind jetzt gefordert, dem Arbeitgeber ein Konzept vorzuschlagen, um ihn zu überzeugen. Ich will an der Stelle nicht zu viel sagen, um nicht Hoffnungen zu wecken, die sich dann vielleicht nicht erfüllen. Aber der Arbeitgeber hat uns mittlerweile signalisiert, dass er bereit ist, mit uns über bestimmte Varianten zu reden, zum Beispiel einen Verkauf des Standortes. Dies wäre vor drei Monaten undenkbar gewesen. Nichtsdestotrotz müssen wir in naher Zukunft parallel die Gespräche über einen Sozialplan aufnehmen.
Letztes Jahr versuchten die Beschäftigten des Autozulieferers GKN vergeblich, mit Streiks die Schließung des Werks in Zwickau zu stoppen. In Heilbronn gelang es hingegen vorerst, das traditionsreiche Knorr-Werk durch Druck, konstruktive Vorschläge und Konzessionen der Belegschaft zu erhalten. Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie für die Kolleg*innen in Fürstenwalde?
Peter Weiser, 60 Jahre, hat ab 1980 beim VEB Pneumant am Standort Fürstenwalde den Beruf des Elektromonteurs gelernt. Seit 1994 arbeitet er für Goodyear in Fürstenwalde, wo er seit 2006 Mitglied im Betriebsrat und seit 2018 dessen Vorsitzender ist.
Der US-Konzern hatte im November seine Kürzungspläne für den Traditionsstandort bekannt gegeben. Grund sei die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. In ganz Deutschland steckt die Reifenindustrie in einer schweren Krise.
Wir werden weiterhin versuchen, mithilfe von Gewerkschaft, Politik, Presse und Rundfunk öffentlichkeitswirksam zu agieren. Wir werden es mit konstruktiven Vorschlägen versuchen. Wir sind aktuell in der Informationsphase mit dem Arbeitgeber, wieso, warum und weshalb diese Entscheidung getroffen wurde. Unsere Wirtschaftsberater werden dann versuchen, etwas Überzeugendes zu erarbeiten.
Wie sieht es hinterm Werkstor aus? Kommen Kolleg*innen zusammen, schimpfen gemeinsam, stecken Köpfe zusammen, tauschen sich aus, schmieden Pläne?
Geschimpft wird schon immer viel. Sicherlich reden die Kollegen viel miteinander. Die Unsicherheit ist bei vielen groß. Viele unserer Mitarbeiter kennen nur Goodyear und wissen nicht, was kommt. In unserem Umkreis gibt es nicht so sehr viele Unternehmen, die tarifgebunden sind, zumal aktuell auch einige andere Unternehmen Probleme haben.
Standortschließungen aufgrund von tatsächlichem oder vermeintlichem Kostendruck gehören zum Kapitalismus dazu. Welche Spielräume sehen Sie abseits von nationaler Standortlogik, Dumping und Konkurrenz zwischen Belegschaften? Welche Solidarität ist möglich?
Gute Frage. Ich habe keine Antwort darauf, ob es da Möglichkeiten gibt. Auch hier hängt viel von der Politik ab. Um bei unserem Geschäft zu bleiben: Solange es noch möglich ist, Reifen aus Asien nach Europa zu verschiffen, um diese dann viel günstiger auf den Markt zu bringen als die Produkte, die hier produziert werden, sehe ich da kaum Möglichkeiten. Am Ende schaut jeder auf seinen Standort.
Das Goodyear-Werk in Fulda soll 2025 schließen. Dort geht es um 1050 Arbeitsplätze. Sie stehen mit Fulda im Austausch? Kann man von einem gemeinsamen Kampf sprechen?
Wir stehen schon über den Gesamtbetriebsrat in einem ständigen Austausch. Aber auch stetige Gespräche unter den Betriebsräten laufen. Wir arbeiten aktuell an einer gemeinsamen Lösung. Aber dazu kann ich noch nichts sagen.
Gibt es darüber hinaus Kontakt zu anderen Betrieben in der Reifenindustrie oder in der Lieferkette?
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Mit diesen gibt es am 7. und 8. April in Kassel ein von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) organisiertes Treffen, um die Situation der Reifenindustrie in Deutschland zu besprechen.
Was erhoffen Sie sich von dem Besuch von Arbeitsminister Heil am kommenden Montag?
Rückhalt. Er ist Arbeitsminister und kann uns unterstützen und Hilfestellung geben, wenn es zum Äußersten kommt.
Die Stilllegung der Reifenproduktion hätte sicherlich Auswirkung auf die Region. Welche Unterstützung kann die Region leisten?
Da haben wir die Unterstützung von Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, welcher für mich immer ansprechbar ist. Er unterstützt uns hier besonders bei der Suche nach Lösungen. Egal, ob es auf der Suche nach einem möglichen Investor ist oder sonstwie. Auch der Bürgermeister der Stadt Fürstenwalde hat seine Hilfe angeboten.
Können Sie sich vorstellen, dass in Fürstenwalde eines Tages mal etwas anderes als Autoreifen hergestellt wird?
Nein, ich kann mir das nicht vorstellen, aber ich muss mit dem Gedanken umgehen. Ich bin einen Kilometer vom Werk entfernt geboren und aufgewachsen, wohne dort heute noch. Ich will auch nicht über ein anderes Produkt nachdenken.
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