• Berlin
  • Verfassungsschutz Brandenburg

Kein Radikalenerlass – oder nur ein wenig

Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne verständigen sich auf »Maßnahmen gegen Extremismus«

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer in Brandenburg Beamter werden will, muss sich künftig eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz und eine Überprüfung durch diesen Geheimdienst gefallen lassen. Zu den Maßnahmen, auf die sich SPD, CDU und Grüne verständigt haben, gehört auch das Aufdecken von Finanzströmen in extremistischen Organisationen. Richter sind aber vom Verfassungstreue-Check ausgenommen.

Eingriffe in Grundrechte und Radikalenerlasse sind nach Ansicht der oppositionellen Linken kaum geeignet, den Rechtsextremismus wirksam zurückzudrängen. »Mein Vertrauen in den Verfassungsschutz geht gegen null«, bekannte Linksfraktionschef Sebastian Walter am Dienstag. 18 zusätzliche Personalstellen für den Geheimdienst »kann man sich aus meiner Sicht sparen«. Wo immer bestürzende Dinge ans Tageslicht gelangten, habe es weniger mit dem Verfassungsschutz zu tun gehabt und mehr mit investigativ recherchierenden Journalisten.

Könnte der ehemalige Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (Linke) als Mitglied der Roten Hilfe nun noch als Lehrer in Brandenburg verbeamtet werden? Diese Frage beantwortete SPD-Fraktionschef Daniel Keller so: Er wolle Müller nichts unterstellen, doch nun seien ein systematisches Verfahren und eine Rechtsgrundlage der Überprüfung geschaffen worden. »Liegt etwas vor: Nein! Wenn nichts vorliegt: Ja.« Ob jemand Beamter werden könne, »macht sich an den Taten fest«. Wer den Rechtsstaat unterwandern wolle, habe mit »null Toleranz« zu rechnen, unterstrich Keller. Die neue Rechtslage sichere ab, dass Beamte, »die auf die Verfassung schwören, mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen«. Brandenburg gehe da durchaus andere Wege als andere Bundesländer.

Die Situation sei noch nie so gefährlich gewesen wie heute, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Er sprach von rund 4000 Extremisten in Brandenburg, von »Reichsbürgern, Selbstverwaltern, Linksextremisten und Islamisten«. Die weitaus größte Gefahr seien aber die mehr als 2000 Rechtsextremisten. Die neuen Bestimmungen seien nicht nur gegen Bewerber, sondern auch gegen Beamte und Wahlbeamte einsetzbar, wenn sie sich eines Verstoßes gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung schuldig machen. Die Kritik der Linken befremde ihn, sagte Redmann. »Wer es mit der Demokratie ernst meint, muss das Anliegen unterstützen.« Wenn Fraktionschef Walter das ablehne, dann weil seine Partei die Linksextremen zu ihren Anhängern zähle.

Das Potsdamer Moses-Mendelsohn-Zentrum hatte festgestellt, dass 28 Prozent der brandenburgischen Beamten den politischen Intentionen der AfD zustimmen. Laut Redmann müssten Beamte »keine neutralen Wesen« sein, aber aktiv die Rechtsordnung verteidigen. Es gehe nicht an, unter der Woche ordentlich seinen Dienst zu versehen und am Wochenende auf einem Rechtsrockkonzert »Sieg Heil« zu rufen. Künftig werde es möglich sein, Erkenntnisse des Verfassungsschutzes auch bei Disziplinarverfahren einzusetzen. Es gelte, zu verhindern, dass Beamte, die nach Vorwürfen beurlaubt werden müssen, danach noch jahrelang ihre vollen Bezüge erhalten. Gesinnungskontrollen seien nicht vorgesehen, beteuerte Redmann. »Nicht jedes AfD-Mitglied ist ein Verfassungsfeind.« Doch tue die AfD derzeit sehr viel dafür, als gesichert rechtsextrem eingestuft zu werden.

Von einem »Maßnahmenpaket, das bundesweit seinesgleichen sucht«, sprach Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. Bürgerrechte bleiben ihm zufolge gewahrt, denn der Landtag überprüfe in Abständen die Wirkungen des Gesetzes und behalte sich Nachsteuerungen vor. Außerdem würden die von solchen Maßnahmen Betroffenen informiert, um sich gegebenenfalls dagegen zur Wehr setzen zu können.

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