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Solawi: Skepsis und Aufbruchsstimmung
In Nordrhein-Westfalen diskutieren Politik, konventionelle Bauern und Solidarische Landwirtschaft
Was hätte Friedrich Engels wohl zu der Diskussion am Dienstagabend am Engelsplatz 4 in Engelskirchen gesagt? Auf dem Gelände, das sein Vater als er 17 war für eine Baumwollspinnerei auserkoren hatte, wird heute im Rathaus über Solidarische Landwirtschaft (Solawi) diskutiert. Auch antikapitalistische Äußerungen fallen in der Diskussion. Die Solawi wird als »regionales Innovationsökosystem« bezeichnet, als Möglichkeit, anders zu produzieren, als es im Kapitalismus üblich ist. Töne die erst mal ungewöhnlich klingen in einer ländlichen Region, in der die CDU eigentlich immer die Wahlen gewinnt.
Ganz verschlossen will man sich aber offensichtlich nicht geben. Der Oberbergische Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und der Rhein-Sieg-Kreis haben sich zur Öko-Modellregion zusammengeschlossen. Im Rathaus von Engelskirchen erklärt die Vertreterin eines Kreises die Ausgangsbedingungen für die Fragestellung am Dienstagabend. Das Bergische Land, die Region zwischen Köln und Wuppertal ist von der Milchwirtschaft und der Rindfleisch-Produktion geprägt. Eine eher schwierige Ausgangsbedingung für die Stärkung des Direktvertriebs in der Solawi.
Solidarische Landwirtschaft, da denken viele zuerst an Gemüsekisten: Die bekommt man, dann verbraucht man sie. Ein bisschen ausgefeilter ist das Konzept aber schon. In Engelskirchen stellt es Klaus Strüber vor. Er war 20 Jahre Landwirt in Norddeutschland, hat eine der ersten Solawis im Land mitgegründet und ist mittlerweile seit zehn Jahren als Berater tätig.
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Strüwer erklärt zunächst das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft: Für einen landwirtschaftlichen Betrieb könne man ziemlich genau errechnen, was der Unterhalt und die Bewirtschaftung der Flächen koste. Daraus könne man Ernteanteile errechnen und diese verkaufen. Wer möchte, könne einen Ernteanteil erwerben. In der Praxis meist für ein Jahr. Für Landwirt*innen ist das Konzept gut, weil im Voraus klar ist, welche Einnahmen sie haben. Nutzer*innen wissen, wohin ihr Geld fließt. Solawi-Verträge gelten in der Regel für ein Jahr. In der Zeit bekommen die Kund*innen, zumeist wöchentlich, die Erzeugnisse ihrer Solawi.
Bei den Betrieben der Solidarischen Landwirtschaft gibt es erhebliche Unterschiede. Mancher Bauernhof betreibt nur wenige Hektar nach diesem Prinzip und verkauft seine sonstigen Erträge auf dem normalen Markt. Andere Betriebe schließen sich zu Kooperationen zusammen. Sie können ihren Nutzer*innen eine größere Produktvielfalt liefern. Zum Gemüse können etwa Fleisch und Getreideerzeugnisse hinzukommen. Um zu erklären, warum diese Form des Wirtschaftens sinnvoll ist, wird am Dienstagabend der deutsche Solawi-Pionier Wolfgang Stränz zitiert: »Lebensmittel verlieren ihren Preis und erhalten ihren Wert zurück.«
In Engelskirchen stoßen solche Worte zwar auf offene Ohren aber auch auf viel Skepsis. Franz Bellinghausen ist Vorsitzender der lokalen Kreisbauernschaft. Auf seine Sorgen angesprochen, erzählt er viel. Spricht davon, dass Bäuer*innen im Zuge der Energiewende Land abgeben müssten, erzählt von zu hohen Umweltauflagen und der Angst, dass Weidetiere vom Wolf gerissen werden.
Solawi, Bellinghaus findet, das Konzept klingt sympathisch. Aber er hat auch Fragen: »Bei einem größeren Betrieb müssten täglich 1200 Menschen kommen und ihre Milch holen. Wie soll das funktionieren?« Auch die Antwort gibt er sich selbst. Klappen könnte das nur, wenn man die Milch weiterverarbeitet. Das wirft neue Fragen auf. Eine eigene Molkerei würde hohe Investitionen bedeuten. Würden die auch von Solawi-Mitgliedern gezahlt?
Vermutlich nicht ganz alleine. Dafür bräuchte es Hilfe von der Politik. Am Dienstagabend sind auch ein Vertreter aus dem nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerium und Verantwortliche aus den Kreisen der Öko-Modellregion anwesend. Sie haben viel Lob und warme Worte für die Solidarische Landwirtschaft. Man findet das Konzept wertvoll, will beraten und unterstützen. Konkrete Versprechen oder Angebote gibt es allerdings nicht.
Das sieht auch Bernd Schmitz so. Vor zehn Jahren hat er auf dem Hanfer Hof mit der Solawi angefangen. Das Ziel des Hofes in diesem Jahr: 120 Familien mit Ernteanteilen versorgen. Schmitz findet, die Politik ist zu zurückhaltend. Sie müsse mehr ermöglichen. Von der Solawi berichtet er mit Leidenschaft. Reichere Familien würden mehr zahlen, damit Ärmere sich auch Ernteanteile leisten können, viele würden mit Elan mitarbeiten. Schmitz spricht darüber, wie viel ihm die Wertschätzung der Solawi-Mitglieder bedeutet, und macht klar, dass diese Wertschätzung und die Kommunikation mit den Mitgliedern sich erheblich vom bäuerlichen Arbeitsalltag unterscheidet.
Ob die Solidarische Landwirtschaft eine schöne Idee für einzelne Betriebe und eine sozial-ökologisch bewusste Kundschaft ist oder eine Alternative zum industriellen Agrobusiness? Diese Frage beantwortet in Engelskirchen niemand.
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