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Kein Inflationsausgleich für Studierende

Kabinett beschließt Bafög-Novelle und Studienstarthilfe. Gewerkschaften, Betroffene und Opposition kritisieren die Reform scharf

  • nd/Agenturen
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin eine weitere Bafög-Reform auf den Weg gebracht. Das Gesetzesvorhaben aus dem Haus von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sieht unter anderem eine Erhöhung der Einkommensfreibeträge bei der Anrechnung des Bafög vor, was den Kreis der Berechtigten erweitern soll. Die Zahl der Empfänger der staatlichen Ausbildungsförderung war im vergangenen Jahrzehnt stark zurückgegangen. Zurzeit erhalten nur noch 11,7 Prozent der Studierenden Bafög-Leistungen.

Nicht vorgesehen ist eine Anhebung der Bafög-Sätze, was Gewerkschaften und Studierendenvertreter mit Blick auf die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten erneut kritisierten. Die Sätze waren von der Regierung zuletzt zum Wintersemester 2022/2023 um 5,75 Prozent erhöht worden.

Wer studiert und noch bei den Eltern wohnt, kann zurzeit bis zu 511 Euro pro Monat bekommen. Darin sind der Grundbedarf von 452 Euro und 59 Euro fürs Wohnen enthalten. Für auswärts Wohnende beträgt der Satz für die Unterkunft 360 Euro. Möglich sind zudem Zuschläge für die Kranken- und Pflegeversicherung, wenn Studierende nicht mehr bei den Eltern versichert sind. Da Vermögen, eigenes Einkommen, Einkommen der Eltern und Ehepartner angerechnet werden, ist die eigentliche Bafög-Höhe immer individuell.

Starthilfe für Ärmere

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Mit der Reform wird auch eine sogenannte Studienstarthilfe eingeführt. Studienanfänger aus Familien, die Sozialleistungen beziehen, können ab Herbst mit einem einmaligen staatlichen Zuschuss von 1000 Euro zur Anschaffung von Laptop, Büchern oder zur Finanzierung von Umzugskosten am Studienort rechnen.

Mit Blick auf die Nullrunde bei den Fördersätzen erklärte der Vorstandsvorsitzende des Studierendenwerks, Matthias Anbuhl, der Bafög-Grundbedarf liege mit 452 Euro »deutlich unter dem, was die Düsseldorfer Tabelle als Richtwert für den Elternunterhalt vorgibt, nämlich 520 Euro im Monat, und weit unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld«. Weiter sagte er der Funke-Mediengruppe: »Studierende sind aber keine Bürger zweiter Klasse.« Von der Wohnkostenpauschale könne »man sich in kaum einer Hochschulstadt noch ein WG-Zimmer leisten«.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke rechnete im Online-Dienst X vor, dass der Bafög-Satz um 111 Euro »unter dem als Existenzminimum definierten Bürgergeld« und die Wohnpauschale um 60 Euro unter der Durchschnittsmiete für Studierende vor zwei Jahren lägen.

Niklas Röpke vom Vorstand des freien Zusammenschlusses von Student*innenschaften (FZS) sprach mit Blick auf die geplante Studienstarthilfe von einem »Schauprojekt«. Sie reiche nicht aus, um die Kosten am Anfang des Studiums »ansatzweise zu decken«, kritisierte er am Mittwoch im »Morgenmagazin« des ZDF. Bundesweit würden gerade neue Tarifverträge verhandelt, »nur bei den Studierenden gibt es eine Nullrunde«.

Kein Schutz vor Armut

Nach einer Studie der Paritätischen Forschungsstelle aus dem Jahr 2022 leben 30 Prozent aller Studierenden in Armut. Von den allein lebenden Studierenden sind demnach vier von fünf arm. Der Paritätische Gesamtverband fordert deshalb eine Anhebung der Bafög-Sätze auf 800 Euro plus Wohnkostenzuschlag.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, nannte die Bafög-Sätze »völlig unzureichend«. Die Studienstarthilfe und die Ausweitung des Kreises der Bafög-Anspruchsberechtigten begrüßte er, betonte jedoch zugleich, dass es mehr brauche, um echte Chancengerechtigkeit zu schaffen: »Das Versprechen von gleichen Möglichkeiten für alle junge Menschen ist nicht viel wert, wenn es nicht gelingt, Studierende wirksam vor Armut zu schützen und ihnen den Rücken für eine Ausbildung, frei von existenzieller Not, zu stärken.«

Wie der Paritätische fordern die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Gewerkschaftsbund Nachbesserungen am Gesetz im parlamentarischen Verfahren. DGB-Vizechefin Elke Hannack forderte eine Anhebung der Bedarfssätze auf das Existenzminimum und höhere Wohnkostenzuschüsse. »Für eine echte Strukturreform wäre außerdem ein automatischer Inflationsausgleich im Bafög nötig, um so die Verlässlichkeit der staatlichen Studienfinanzierung abzusichern«, so Hannack. Die Studienstarthilfe begrüßte sie ebenso wie das Vorhaben, die Bafög-Zahldauer um ein Semester zu verlängern.

GEW-Vize Andreas Keller monierte, dass von den vom Bundestag für die Bafög-Erhöhung bereitgestellten 150 Millionen Euro nur 61 Millionen abgerrufen werden, während 89 Millionen in die Hausshaltssanierung fließen sollen. Das dürfe sich das Parlament »nicht gefallen lassen«.

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