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Europawahlkampf in Spanien: Politische Mitte mit Rechtsdrall
Die spanische Linke geht geschwächt und zersplittert in die Wahlen
Spanien ist nicht nur wegen seiner sehr verschiedenen Nationen und Sprachen ein Staat voller Gegensätze. Das zeigt sich politisch stets auch klar im unterschiedlichen Wahlverhalten. In Katalonien, dem Baskenland oder Galicien unterscheiden sich die Präferenzen der Wähler grundlegend, und das wird sich im Juni bei der Europawahl zeigen.
Vorher stehen noch die Regionalwahlen am 21. April im Baskenland an. Die spanische Volkspartei (PP) und ihre ultrarechte Abspaltung Vox, die gemeinsam immer mehr Regionen im Land regieren, sind hier unbedeutend. Wurde die PP in Spanien bei den Parlamentswahlen im 2023 stärkste Kraft mit 33 Prozent, soll sie im Baskenland nach Umfragen leicht zulegen und auf sieben Prozent kommen. Vox, die in Spanien einen zaghaften europakritischen Diskurs führt, ist drittstärkste Kraft im Parlament in Madrid. Im Baskenland kann die Partei erneut nur mit einem Stimmenanteil von zwei Prozent rechnen.
Im Juni wird in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union über ein neues EU-Parlament abgestimmt. Dabei zeichnet sich ab, dass rechte Parteien an Einfluss gewinnen könnten. Was ist eine linke Antwort darauf? Und wie steht es um die Klimapolitik der EU? Welche Entwicklungen gibt es in Hinblick auf Sozialpolitik und was ist im Bereich der europäischen Asyl- und Migrationpolitik zu erwarten? Die anstehende Europawahl wird richtungsweisend. Auf unserer Themenseite fassen wir die Entwicklungen zusammen: dasnd.de/europawahl
Der linksnationalistischen Koalition EH Bildu (Baskenland vereinen) könnte es nach den Umfragen in »Euskadi« nun erstmals gelingen, der christdemokratischen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) die Vormachtstellung zu nehmen. Die für ein von Spanien unabhängiges Baskenland eintretende Wahlallianz liegt demnach mit 34 Prozent leicht vor der PNV. Abgeschlagen auf dem dritten Rang landen hier die in Spanien regierenden Sozialdemokraten (PSOE) bei erneut etwa 14 Prozent.
Den spanienweiten Formationen links der PSOE droht im Baskenland ein ähnliches Debakel wie bei den Regionalwahlen in Galicien im Februar. Erneut treten Podemos und die nach ihrer Spaltung neu gebildete Linkskoalition Sumar getrennt an. In Galicien führte das dazu, dass beide Liswten, ebenso wie Vox, an der Hürde von fünf Prozent scheiterten. Der linksnationalistische Bloque (BNG) wurde mit 32 Prozent als zweitstärkste Kraft deutlich gestärkt. BNG konnte, wegen der Schwäche der spanischen Linken insgesamt, der PP aber nicht die Regierungsmacht nehmen, die sich mit 47 Prozent behauptete.
Da sich Podemos und Sumar auch bei der Europawahl gegenseitig bekämpfen, kann insgesamt mit einer weiteren Niederlage der Kräfte links der Sozialdemokratie gerechnet werden. Die Ausreißer mit starken Ergebnissen an den Rändern dürften sich kaum in Sitzen im EU-Parlament abbilden. Podemos geht mit der ehemaligen Gleichstellungsministerin Irene Montero ins Rennen. Montero will eine »unangepasste Linke« auf die Beine stellen. Ihr Problem ist, dass die Partei in der Regierungskoalition mit der PSOE so viele Kröten geschluckt hat, dass ihr das von den Wählern kaum abgenommen wird.
Dass Podemos in Galicien nur 0,26 Prozent erhielt, und damit weniger als die Tierschutzpartei Pacma, lässt tief blicken. Die Frau von Podemos-Gründer Pablo Iglesias will aber »alles geben«, damit ihre Wahlkoalition erneut eine Stimme im Europäischen Parlament erhält. Europa »steht bei diesen Wahlen auf dem Spiel«, ist Podemos überzeugt. In Sumar wird nach dem Galicien-Debakel unter den ihr angehörenden Parteien hart um die wenigen aussichtsreichen Listenplätze gekämpft. Das macht die Wahlkoalition nicht gerade attraktiver.
Da auch die Sozialdemokraten schwächeln, muss mit einer Schwächung der Linken im Europaparlament aus dem großen EU-Mitgliedsstaat gerechnet werden. Die Rechte hingegen wird gegenüber den Europawahlen 2019 zulegen. Die PP wird nach Prognosen stärkste Kraft und könnte mit fast 38 Prozent deutlich vor den Sozialdemokraten liegen, denen keine 30 Prozent vorhergesagt werden. Die Vox-Ultras sollen gegenüber 2019 von sechs Prozent auf elf Prozent zulegen. Sie könnten weiter von den Bauernprotesten und ihren EU-kritischen Tönen profitieren, die Rechtsaußen auch mit rassistischen Inhalten auflädt.
Der EU-Wahlkampf wird in Spanien vor allem mit nationalen Themen geführt. Dass ein Korruptionsskandal derzeit die PSOE erschüttert, nutzt die PP aus. Dabei darf gerade die PP gerichtsfest als bestechlich bezeichnet werden, da sie ihre Kassen über ein »effizientes System institutioneller Korruption« mit Schwarzgeld gefüllt hatte. Zudem ist sie in lukrative Maskenaffären verwickelt.
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All das überspielt PP geschickt mit Angriffen auf die Sozialdemokraten. Deren Regierungschef Pedro Sánchez sucht derweil händeringend nach einem zugkräftigen Namen für die Europawahl. Im Auge haben soll er den früheren Ministerpräsidenten und PSOE-Chef José Luis Rodríguez Zapatero, der auch über die Sozialdemokraten hinaus in der Linken Prestige genießt.
PP und VOX konzentrieren sich aber vor allem weiter auf Katalonien und das Amnestiegesetz. Eine umfassende Amnestie für die Vorgänge um das Unabhängigkeitsreferendum von 2017 war eine Bedingung, damit die Partei des katalanischen Exilpolitikers Carles Puigdemont bei der Regierungsbildung Sánchez unterstützte. Das Gesetz soll am Donnerstag im Parlament verabschiedet werden. Die Rechte läuft weiter Sturm dagegen und kann es mit ihrer Mehrheit im Senat noch verzögern, womit es ein den Wahlkampf bestimmendes Thema bleibt.
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