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Wahlkampf: Wie Wladimir Putin den Spitzensport nutzt
Russische Spitzensportler stecken im Dilemma zwischen Olympia-Träumen und Staatsräson
Putins Team. Unter diesem Namen versammeln sich in Russland Politiker, Künstler und Wissenschaftler zur Unterstützung des Präsidenten. Sogar eine eigene Modemarke wurde erschaffen. Der Sport gehört dabei zu den wichtigsten Aktionsfeldern. Immer wieder zeigt sich Wladimir Putin bei Kundgebungen mit ehemaligen und aktiven russischen Spitzenathleten – Teil einer groß angelegten politischen Kampagne, die am kommenden Wochenende in die Wiederwahl des Präsidenten münden soll.
Da ist zum Beispiel Sergej Karjakin, aufgewachsen in der Ukraine auf der Krim, inzwischen aber stolzer Staatsbürger Russlands. Der Weltmeister im Schnell- und Blitzschach von 2012 und 2016, der es in der klassischen Variante im Jahr 2016 gegen Dominator Magnus Carlsen bei dem Kampf um die WM-Krone bis in den Tiebreak schaffte, galt lange als Vorbild für die Schach spielende Jugend des Landes. Seit 2022 unterstützt Karjakin die Invasion in der Ukraine mit oft sehr pathetischen Worten. Damit scheint seine internationale Laufbahn zu Ende zu sein, wurde er doch vom Internationalen Schachverband Fide im Gegensatz zu anderen Russen explizit ausgeschlossen. Bei russischen Nachwuchswettbewerben, auch in besetzten ukrainischen Gebieten wie dem Donbass, ist er aber oft Ehrengast.
Der Taekwondo-Kämpfer Wladislaw Larin, im äußersten Westen Russlands groß geworden, gewann bei Olympia 2021 in Tokio Gold. Vor Kurzem veröffentlichte er ein Video, in dem er um Spenden für das russische Militär warb. Andere erfolgreiche Sportler wie der Ringer Abdulraschid Sadulajew, die jüngst wegen Doping gesperrte Eiskunstläuferin Kamila Walijewa oder der ehemalige Fußballnationalspieler Andrei Arschawin zeigen sich mit Putin auf Großveranstaltungen. Mit solchen Aktionen, die im Staatsfernsehen übertragen werden, will Putin der Bevölkerung offenbar ein Gefühl von Normalität und Einigkeit vermitteln – während in der Ukraine russische Soldaten kämpfen und sterben.
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Das Internationale Olympische Komitee (IOC) möchte offiziell verhindern, dass die anstehenden Sommerspiele in Paris zu einer Plattform für Putins Botschaften werden. Sportler aus Russland und aus dem den Krieg unterstützenden Belarus dürfen daher lediglich einzeln an den Start gehen, und das auch nur als »neutrale Athleten«. Ihre nationale Symbolik mit Hymnen, Wappen und Flaggen ist untersagt. Eine weitere Bedingung: Die Sportler dürfen keine Verbindungen zum russischen Militär und den Sicherheitsorganen pflegen. Wer den Krieg in der Ukraine unterstützt hat, soll ebenfalls keine Starterlaubnis erhalten.
Wie lässt sich das prüfen? Gilt die Weiterverbreitung staatsnaher Inhalte in sozialen Medien als Unterstützung des Krieges? Zudem ist der Spitzensport in Russland eng mit dem Sicherheitsapparat verzahnt. Im Zentralen Sportklub der Armee (ZSKA) trainieren allein in Moskau mehr als 10 000 Athleten. Auch Dynamo Moskau mit seiner historischen Nähe zum Geheimdienst spielt eine beachtliche Rolle. Bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking waren 209 russische Aktive vertreten, 34 von ihnen gehörten den Sicherheitsorganen an, 15 davon sogar in einem Offiziersrang.
Wie in anderen Ländern auch sind Athleten in Russland in den meisten Disziplinen aus Mangel an privaten Sponsoren auf staatliche Hilfe angewiesen. Etliche Athleten, die sich der Armee anschließen, absolvieren dort eine Grundausbildung, interessieren sich aber nicht unbedingt für den Dienst an der Waffe. Von den Teilnehmern in Peking gehörten aber auch 13 der Nationalgarde an, der Rosgwardija. Diese Einheit, die Putin direkt unterstellt ist, ist in der Ukraine im Kriegseinsatz und wurde von der EU mit Sanktionen belegt.
Die Haltung in Russland gegenüber internationalen Sportverbänden wie dem IOC ist uneinheitlich. Hochsprung-Olympiasiegerin Marija Lassizkene würde für eine Olympiateilnahme auf Hymne und Flagge verzichten. Andere Athleten betten diese Auflagen in eine antiwestliche Erzählung ein. Für Schwimmer Jewgeni Rylow, zweifacher Goldmedaillengewinner in Tokio, ist klar: »Ich würde niemals unter diesen Bedingungen nach Paris reisen.« Als offener Unterstützer von Putins Politik kommt er wohl ohnehin nicht für einen Start infrage.
Athleten, die sich kritisch zu Putin äußern, setzen ihre Gehälter, Trainingsplätze und mittlerweile auch ihre Freiheit aufs Spiel. Seit Kriegsbeginn haben rund 250 Leistungssportler Russland daher verlassen, etliche von ihnen treten nun für andere Länder an. Internationale Stars wie Eishockeyspieler Alexander Owetschkin oder Tennisprofi Andrei Rubljow, die seit Jahren im Ausland leben, wählen ihre Worte mit Bedacht, womöglich zum Schutz ihrer Familien und Freunde in Russland. Sie sprechen sich für Frieden aus, ohne Putin direkt zu kritisieren.
Wer in Paris als »neutraler Athlet« antritt, wird in russischen Staatsmedien natürlich nicht als neutral dargestellt, eher als Botschafter einer aufstrebenden Großmacht, die noch in den 2010er Jahren zu den wichtigsten Gastgebern des Weltsports zählte – wie mit den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi und der Fußball-WM 2018. Die Wirklichkeit sieht heute anders aus. Russische Weltmeister und Olympiasieger treten international kaum noch in Erscheinung, dafür vor wenigen Hundert Zuschauern in regionalen Wettbewerben gegeneinander an. Oft überträgt das Staatsfernsehen diese Veranstaltungen dennoch mit großem Aufwand. Mitunter schauen Minister vorbei und halten Reden, während Banner und Werbespots parallel für die Rekrutierung von Soldaten werben.
Der russische Sport muss sich heute – noch mehr als früher – innenpolitischen Zielen unterordnen. So wurden Fußballklubs auf der Krim wie der FC Sewastopol und Rubin Jalta in den russischen Ligabetrieb eingegliedert. Das Nationale Olympische Komitee (ROC) hat zudem die Sportverwaltungen in den besetzten Regionen der Ukraine an sich gebunden. Weil das gegen die Olympische Charta verstößt, wurde das ROC vom IOC suspendiert.
So ist der russische Einfluss im Weltsport stark zurückgegangen, aber nicht komplett verschwunden. Gazprom-Chef Alexander Djukow sitzt noch immer im Exekutivkomitee des europäischen Fußballverbandes. Im IOC stammen zwei Mitglieder aus Russland: Ex-Tennisspieler Schamil Tarpischtschew und die frühere Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa. Als Angestellte des Verteidigungsministeriums trägt Issinbajewa den Rang einer Majorin. Sie hatte sich oft mit Putin gezeigt, besuchte russische Soldaten in Syrien und gehörte dem Gremium an, das die Verfassung zugunsten des Präsidenten änderte.
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