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NSU-Gedenken: Ein Verbund mit starkem Zentrum
Machbarkeitsstudie stellt straffen Zeitplan für geplantes Dokumentationszentrum auf
Der Satz ist drei Jahre alt. »Wir unterstützen die Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU«, formulierten SPD, Grüne und FDP im 2021 besiegelten Vertrag für ein Regierungsbündnis im Bund. Nun wird absehbar, wie das Vorhaben konkret umgesetzt werden könnte. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) legte kürzlich eine Machbarkeitsstudie vor, mit deren Erstellung sie von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beauftragt worden war.
Sie enthält einen Zeitplan, dem zufolge noch in diesem Jahr die Frage des Standorts geklärt und 2025, also im Jahr der nächsten Bundestagswahl, im Parlament die gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll. Im Jahr darauf könnte der Gedenkort eingeweiht, die Dauerausstellung danach schrittweise in Betrieb genommen werden. Beobachter halten die Zeitschiene für ausgesprochen ehrgeizig. Allerdings wird es angesichts des Umstands, dass der erste Mord der rechtsextremen Terrorgruppe vor mittlerweile 24 Jahren geschah und die »Selbstenttarnung« des Kerntrios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe vor 13 Jahren erfolgte, auch höchste Zeit. Die Betroffenen, die für die Machbarkeitsstudie mehrfach konsultiert wurden, äußern darin die Hoffnung, dass »die Realisierung nicht noch ein weiteres Jahrzehnt dauert«.
Das Dokumentationszentrum wird mehrere Funktionen haben. Zum einen solle es eine Stätte des »würdigen Gedenkens« an die Opfer sein. Bei der Gestaltung müssten Angehörige und Betroffene umfassend einbezogen werden: »›Ohne sie‹ wäre gleichbedeutend mit ›gegen sie‹«, formuliert das Papier, das auch davor warnt, eine »Bühne für Versöhnungstheater« zu schaffen. Vielmehr gehe es um »kritische Aufarbeitung« des NSU, bei der auch das »umfassende Versagen staatlicher Akteure« bei der Aufklärung thematisiert werden müsse. Zudem solle das Zentrum ein Ort der historisch-politischen Bildung werden.
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Angemerkt wird aber, dass es sich, anders als bei Gedenkstätten zur NS-Diktatur, um »unabgeschlossene, ›heiße‹ Geschichte« handele und der NSU-Komplex auch formal nicht abgeschlossen sei. Erst im Februar hatte die Bundesanwaltschaft mit Susann E. die engste Vertraute von Zschäpe wegen Terrorhilfe angeklagt – mehr als fünf Jahre nach dem Urteil im Münchner NSU-Prozess.
Schon bisher wurde und wird das Thema NSU aufgearbeitet. Neben Untersuchungsausschüssen in Parlamenten trugen dazu vor allem zivilgesellschaftliche und künstlerische Initiativen in vielen deutschen Städten bei. Dem soll die Struktur des Dokumentationszentrums Rechnung tragen. Vorgeschlagen wird in der Studie ein »dezentraler Verbund«, in den bestehende Initiativen und Projekte eingebunden und über den sie finanziert werden sollen. So soll auch auf »Vorbehalte und Misstrauen aus der Zivilgesellschaft« reagiert werden, die Sorge vor einer »Enteignung« hätten. Sie befürchten offenbar, ihre Arbeit werde durch das staatliche Dokumentationszentrum überflüssig. Als dessen Trägerin empfiehlt die Studie eine öffentlich-rechtliche Stiftung. Diese hätte eine »höhere demokratische Legitimität« als eine ebenfalls diskutierte privatrechtliche Stiftung.
Trotz des Plädoyers für »Mehrortigkeit« wird empfohlen, den so entstehenden Verbund um eine starke Mitte anzuordnen. Es brauche ein großes Dokumentationszentrum, in dem das »Gesamtbild« des NSU-Komplexes abgebildet und zentrale Arbeitsbereiche wie Archiv, Sammlung und Dauerausstellung beherbergt werden, sagt etwa Volkhard Knigge. Der Historiker und frühere Direktor der Stiftung KZ Buchenwald und Mittelbau-Dora leitete eine von drei Expertengruppen, die Gutachten für die Studie erstellten. Mit dem zentralen Ort werde eine »Fragmentierung« verhindert. Erstrebenswert sei, dass Besucher an einem Ort alles Wesentliche über den NSU-Komplex erfahren. Gleichwohl sollten Projekte in den Bundesländern »in das Verbundsystem eingegliedert und über die Stiftung institutionell gefördert« werden.
Bislang völlig offen ist, wo diese Einrichtung angesiedelt wird. Es sei eine »Herausforderung, dass sich kein Ort genuin anbietet«, heißt es in der Machbarkeitsstudie, vielmehr hätten viele Städte einen Bezug zum Thema, »insbesondere« solche mit Tatorten. Die Morde und Bombenanschläge des NSU fanden in Nürnberg und München, Kassel, Dortmund, Hamburg, Rostock, Köln und Heilbronn statt. Die Betroffenen, heißt es in der Machbarkeitsstudie, sprächen sich für eine Nähe des künftigen Gedenkortes zu ihren Heimatstädten aus, auch wegen der dortigen unterstützenden Strukturen.
Die Standortfrage dürfte noch für erhebliche Debatten sorgen – und das unter Zeitdruck. Die Entscheidung »muss im Jahr 2024 erfolgen«, wird in der Studie betont. Für einen Aufbaustab, dessen baldige Errichtung das Papier anregt, wäre es die vermutlich brisanteste Aufgabe, aber längst nicht die einzige. So soll er auch einen Vorschlag für einen Namen unterbreiten. Dabei »ausschließlich auf die Täter zu rekurrieren, ist zu vermeiden«, heißt es. »NSU-Dokumentationszentrum« dürfte die künftige Einrichtung daher wohl nicht heißen. Ob der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann, bleibt abzuwarten. Das Bundesministerium des Inneren teilte auf nd-Anfrage mit, man prüfe derzeit die Ergebnisse und berate sich mit den anderen Ressorts über das weitere Vorgehen: »Die Entscheidung zur Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung und über deren Finanzierung obliegt dem Deutschen Bundestag.«
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