- Politik
- Honduras
Schub für Honduras’ linke Regierung?
Nach der Verurteilung des Ex-Präsidenten könnten Köpfe rollen in dessen Nationaler Partei
Das Urteil der Geschworenen aus New York war eindeutig. Der 55-jährige Ex-Präsident von Honduras, Juan Orlando Hernández, wurde schuldig gesprochen, für den Schmuggel von mindestens 400 Tonnern Kokain in die USA verantwortlich zu sein. In seinem Plädoyer machte Staatsanwalt Jacob Gutwillig Hernández dafür verantwortlich, »eine Kokain-Autobahn in die Vereinigten Staaten gebaut« zu haben.
Für Joaquín Mejía, international bekannter Menschenrechtsanwalt, kommt das Urteil alles andere als überraschend. Für ihn ist JOH, wie der Ex-Präsident des Landes der Kürze halber genannt wird, der Kopf eines Kartells, das sich der staatlichen Infrastruktur hemmungslos bedient habe. Dieser Meinung ist auch der Leiter einer Kaffeekooperative in Marcala, der lieber anonym bleiben möchte. »Die Polizei wurde angewiesen, Drogentransporte durch das Land zu begleiten und bis zur Grenze zu sichern«, weiß er aus eigener Anschauung. Honduras sei binnen weniger Jahre zu einer Narco-Diktatur geworden – unter der Regie des 2013 unter fragwürdigen Bedingungen und 2017 durch Wahlbetrug »gewählten« und von den USA gestützten Präsidenten.
Mejía sieht im Schuldspruch im besten Fall einen Sauerstoffschub für Honduras’ fragile Demokratie. »Das Urteil und mehr noch die Detailinformationen, die im Laufe des Prozesses an die Öffentlichkeit kamen, könnten sich für die Regierung von Präsidentin Xiomara Castro positiv auswirken.«
Nationaler Partei droht Ärger
Der Grund ist einleuchtend: »Im Verfahren sind Namen aufgetaucht, die nach wie vor Politik für die Nationale Partei machen«. Die Nationale Partei war die von JOH gelenkte und kontrollierte Partei, die im derzeitigen Parlament rund vierzig Prozent der Sitze innehat. Sie war de facto zum Instrument der Familie Hernández geworden, und der Bruder des Ex-Präsidenten, Toni Hernández, sitzt in den USA bereits eine langjährige Haftstrafe ab: wegen Drogenschmuggels.
Mehrere Abgeordnete der Nationalen Partei müssen nun mit Ermittlungsverfahren in Honduras rechnen. »Von etlichen wird sich die Partei trennen müssen«, so der Padre Melo. Der landesweit angesehene und kritische Menschenrechtsaktivist, ein Jesuitenpater mit bürgerlichem Namen Ismael Moreno Soto, hofft auf eine Korrektur der Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Dort verfügt Libre, die Partei der Präsidentin Xiomara Castro, nicht über die Mehrheit, muss sich mühsam um Mehrheiten bemühen und kommt nicht nur deshalb mit ihrer Reformagenda kaum weiter.
»Wir hoffen, dass jüngere Abgeordnete der Nationalen Partei nachrücken, die nicht so korrupt sind, nicht so eingefahren und eine konstruktive Opposition stellen werden«, hofft Padre Melo. Zehn Schlüsselpolitiker der Nationalen Partei sieht er auf der Kippe, und so könnte das System Hernández endgültig ins Kippen kommen.
Das ist überfällig: JOH ist seit Jahren komplett diskreditiert, große Teile der Bevölkerung wollen den Wandel, den Präsidentin Xiomara Castro symbolisiert. Doch bisher fehlen Erfolge, das könnte sich mit dem Ausscheiden von Politikern der Nationalen Partei ändern. Der amtierenden linken Regierung dürfte das Auftrieb geben, könnte dem stockenden Reformprozess noch einmal Tempo verleihen und für weniger kritische Gesichter auf den Straßen der Hauptstadt Tegucigalpa sorgen.
Mitverantwortung der USA
Allerdings stellt sich dabei auch die Frage, weshalb das Land, welches den Ex-Präsidenten nun verurteilt, ihm jahrelang den Rücken gestärkt hat. Die USA haben sich trotz handfester Beweise für Wahlbetrug 2017 zu JOH bekannt. Die Drug Enforcement Agency (DEA), die in Honduras präsent ist, muss vom systematischen Drogenschmuggel gewusst haben.
Gleiches gilt für die Geheimdienste und die Botschaft, trotzdem haben sie dem Treiben tatenlos zugesehen. Dadurch tragen sie eine Mitverantwortung für das »System Hernández«, das Kritiker wie Mejía und Padre Melo für eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich machen. Immerhin ebnet die US-Justiz nun den Weg für einen späten Wandel.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.