Schwimmhalle Finckensteinallee: Bad der Leibstandarte in Berlin

Über Wasser: Besuch im einst größten Hallenbad Europas, das die Nazis in den 1930er Jahren in Lichterfelde hinklotzten

  • Anne Hahn
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Schwimmhalle Finckensteinallee wurde 1938 eingeweiht und 2014 nach der Sanierung wieder eröffnet.
Die Schwimmhalle Finckensteinallee wurde 1938 eingeweiht und 2014 nach der Sanierung wieder eröffnet.

Am zweiten Märzsonntag verschlägt es mich in die Finckensteinallee nach Berlin Lichterfelde. Ehrfürchtig betrete ich das Ensemble aus Bundesarchiv, Kirche und Schwimmbad, werde zwischen überlebensgroßen Figurenreliefs in ein Backsteingebäude geführt, stelle die Schuhe in ein riesiges Regal, das außerdem Bücher verschenkt und schlüpfe in eine bunte Kabine. Hinter den Spinden werden die Gäste nach Geschlechtern getrennt in die Duschen gelenkt, öffnet sich eine Tür in die riesige Halle. Es ist ein Schock. Mildes Nachmittagslicht fällt durch meterhohe, bodentiefe Fenster, schwarze Fahnenstangen ragen aus geweißten Wänden, eine abgehängte Decke imitiert Oberlichter, ganze zehn 50-Meter-Bahnen locken ins blaue Nass.

Schwimmhalle Finckensteinallee

Ende der 1930er Jahre wurden in Berlin zwei Kasernenbäder für die Führungskräfte des nationalsozialistischen Regimes erbaut. Das Regiment Hermann Göring in Tegel erhielt Freibad und Schwimmhalle, die Leibstandarte Adolf Hitler auf dem Gelände der preußischen Kadettenanstalt in Lichterfelde das seinerzeit größte Hallenbad Europas. Während das Tegeler Bad nach seiner Nutzung durch die französische Armee an die Julius-Leber-Kaserne überging und der Öffentlichkeit nie zur Verfügung stand, nutzen das Bad der Leibstandarte seit 2014 Schulen, Vereine und Freizeitschwimmer, letztere an den Wochenenden ausschließlich.

Über Wasser

Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.

Für die Nazi-Elite war das Bad in der Finckensteinallee ein reines Männersportbad inmitten der Drillakademie, wie die »Taz« die Kaserne nennt, die mit der ersten elektrischen Straßenbahn der Welt von Berlin aus zu erreichen war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Bad von den Alliierten genutzt, Skulpturen ab- und eine Bowlingbahn eingebaut. Ihre englischen Anweisungen, nicht zu rennen oder zu rauchen, sind an den Wänden erhalten. Seit 1994 gehört das Ensemble der Stadt Berlin, das Schwimmbad wurde 2006 geschlossen und acht Jahre später nach grundlegender Sanierung als Sportschwimmbad erstmals der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der 10-Meter-Sprungturm wurde abgerissen, die Decke gesenkt und das Becken angehoben, dennoch bleibt ein gigantischer Raumeindruck.

Das Wasser ist eiskalt. Wir schwimmen zu dritt oder viert auf einer Bahn, viele Frauen mittleren Alters und ein Kind. Ein Mann trägt Flossen, ein Pärchen ist gemächlich unterwegs, alle anderen etwa gleich flott. Schwimmfreund Dirk berichtet, manchmal würde quer geleint, was unzählige 25-Meter-Bahnen erzeuge, verrückte Vorstellung. Er liebt vor allem das Licht im Bad und seine gewaltigen Ausmaße. Ich werfe einen letzten Blick auf die blauen Styroporrechtecke der Decke und klettere zitternd hinaus.

Im Bus Richtung Krumme Lanke ist mir wieder warm, eine Frakturaufschrift weist im S-Bahnhof Sundgauer Straße in Richtung Berlin. Ich blättere in der S-Bahn im Liebesroman »Jenseits«, den ich im Bücherregal gefunden habe und denke an die schnippische Bademeisterin, die nicht wusste, warum das Wasser so kalt ist. Am Montag würde Ursachenforschung betrieben. »Ich bin wohl nicht die Erste, die nachfragt?« »Nee,« grinste sie, »die fuffzigste!«

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