Alfred Gislason mit DHB-Team gegen Kroatien und Dagur Sigurdsson

Olympiaqualifikation: Beim Spiel der deutschen gegen die kroatischen Handballer stehen die Trainer im Mittelpunkt

  • Erik Eggers
  • Lesedauer: 5 Min.
Zwei isländische Trainer, ein Ziel, keine Freundschaft: Dagur Sigurdsson (r.) wurde mit Deutschland Europameister und trifft nun mit Kroatien auf Alfred Gislason und sein ehemaliges Team.
Zwei isländische Trainer, ein Ziel, keine Freundschaft: Dagur Sigurdsson (r.) wurde mit Deutschland Europameister und trifft nun mit Kroatien auf Alfred Gislason und sein ehemaliges Team.

Etwas Besonderes? Nein, nein, beteuerte Alfred Gislason, als er am Donnerstagabend in Hannover auf das zweite Kapitel der Olympiaqualifikation blicken sollte. Der Bundestrainer zeigte sich einerseits sehr aufgeräumt nach dem 41:29-Pflichtsieg seiner deutschen Handballer zum Auftakt gegen Algerien. Andererseits hatte er schon vor dem Turnier den Eindruck vermittelt, als spiele es überhaupt keine Rolle, wer an diesem Sonnabend gegen Kroatien beim Gegner auf der Bank sitzt. »In meiner Vorbereitung spielt der gegnerische Trainer keine Rolle«, versicherte Gislason.

Doch selbstverständlich werden alle Handballfans auch auf dieses brisante Duell an der Seitenlinie blicken. Denn seit Kurzem trainiert Dagur Sigurdsson die Kroaten, die ihr wichtiges Auftaktspiel gegen Österreich nach harzigem Start souverän mit 35:29-Toren gewannen. Sigurdsson ist nicht nur Isländer wie Gislason, sondern auch immer die Referenz des aktuellen Bundestrainers: 2016 gewann er mit der DHB-Auswahl sensationell den EM-Titel, kurz darauf Olympiabronze.

Im Herbst 2014 hatte Sigurdsson das Team in einer der dunkelsten Phase der deutschen Handballgeschichte übernommen und viel Mut bewiesen, als er junge und nahezu unbekannte Profis zu Nationalspielern machte. Als er seinen ersten Kader nominierte, war ein gewisser Andreas Wolff dabei, der damals im Tor der HSG Wetzlar noch unter dem Radar der Öffentlichkeit spielte. Auch von Kreisläufer Erik Schmidt, der für den Zweitligisten Friesenheim auflief, wusste man nur, dass er Schuhgröße 50 hatte. Wolff entwickelte sich bald zum Schlüsselspieler, auch Schmidt spielte bei der EM 2016 eine wichtige Rolle.

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Sigurdsson überraschte auch mit taktischen Schachzügen in kritischen Phasen. Als bei der EM schon in der Vorrunde gegen Schweden das Aus drohte, stellte er in der zweiten Halbzeit sein Deckungssystem von 6:0 auf 4:2 um und erzwang damit die Wende. Er weigerte sich auch, das mediale Wehklagen über die zahlreichen Verletzten mitzusingen. »Es fehlt ja niemand, es spielt nur ein anderer«, sagte er und nominierte Neulinge wie Julius Kühn und Kai Häfner nach, die daraufhin glänzten. Der damalige Bundestrainer Sigurdsson interessierte sich nur für Dinge, die er selbst verändern konnte.

Gislason hingegen werden Vorwürfe gemacht, zu konservativ zu agieren und an der Routine festzuhalten. Ein Symptom dafür war seine immer wieder geäußerte Hoffnung, den Kieler Kreisläufer Hendrik Pekeler zu einem Comeback überreden zu können. Zudem wird das Angriffsspiel von vielen Experten als schablonenhaft und vorhersehbar charakterisiert. Überraschungsmomente sind in der Tat rar. Der Einzige, der derlei Vorwürfe auch offen äußert und vehement die Integration der Junioren-Weltmeister von 2021 in die DHB-Auswahl fordert, ist Bob Hanning. Der Manager der Füchse Berlin handelt dabei auch als Anwalt in eigener Sache, da Jungprofis wie Nils Lichtlein aus seinem Verein kommen.

Obwohl das deutsche Team bei der EM im Januar das Minimalziel Halbfinale realisierte, kritisierte Hanning den Auftritt und sprach damit vielen Fans aus der Seele. Gislason konterte diese Kritik mit dem Hinweis, Hanning sei »keine Koryphäe des Welthandballs«. Schwer unter Druck steht der Bundestrainer in Hannover dennoch. Sollte die DHB-Auswahl die Olympiateilnahme in Paris 2024 verpassen, wäre das nicht nur eines der dunkelsten Kapitel in seiner erfolgerichen Karriere, in der er den THW Kiel und den SC Magdeburg zum Champions-League-Titel führte, sondern auch sein Ende als Bundestrainer.

Sigurdsson, der bereits Japan zur Asienmeisterschaft geführt und damit das Olympiaticket gelöst hatte, kann an diesem Wochenende in Hannover hingegen nicht mehr viel falsch machen. Das nervlich angekratzte Team Kroatiens, das bei der EM mit Platz elf ein Desaster erlebt hatte, hat er im wichtigen Auftaktspiel mit seiner Coolness beruhigt und aufgefangen. Als »brutale Erfahrung« bezeichnete er sein Debüt für Kroatien. »Das habe ich noch nie erlebt, drei oder vier Tage zu trainieren und dann so ein Spiel zu machen, wo es um alles geht.« Spieler wie Ivan Martinovic lobten, der Trainer habe die Ruhe bewahrt und sie damit gestützt. Kroatien jedenfalls hätte nun sogar bei einer Fünf-Tore-Niederlage gegen Deutschland noch alles in eigener Hand, um am Sonntag mit einem Sieg gegen Algerien das Olympiaticket zu lösen.

Neben den Unterschieden in der Herangehensweise ist auch kein Geheimnis, dass die beiden Trainer nicht als allerbeste Freunde gelten. Einerseits gehören sie unterschiedlichen Generationen an: Der 64-jährige Gislason und der 14 Jahre jüngere Sigurdsson sind nie gemeinsam für Island aufgelaufen. Andererseits sind unter den Toptrainern im Handball Freundschaften generell recht selten.

Dennoch war Gislason bestrebt, dieses Thema nicht noch hochzujazzen. Man kenne sich doch schon so lange aus der Bundesliga, meinte er. Dort duellierten sie sich zwischen 2009 und 2015, als Gislason den THW Kiel coachte und Sigurdsson die Füchse Berlin. Unvergessen ist dabei der Sturmlauf der Kieler zum 37:23-Sieg am letzten Spieltag der Saison 2013/14, der dem THW den Meistertitel brachte, weil sie zwei Tore besser waren als die Rhein-Neckar Löwen. Sigurdssons Team musste sich als frisch gebackener Pokalsieger eine unprofessionelle Einstellung nachsagen lassen.

Bei den drei aktuellen deutschen Nationalspielern, die schon 2016 unter Sigurdsson den EM-Titel gewannen – neben Torwart Wolff sind das Linksaußen Rune Dahmke und Kreisläufer Jannik Kohlbacher – genießt der gegnerische Trainer jedenfalls hohen Respekt. »Das wird schon ein besonderes Spiel insofern, weil er uns sehr gut kennt«, sagte Dahmke in Hannover: »Wir alle wissen, dass bei Dagur jederzeit etwas Überraschendes passieren kann.«

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