Sachsen hat bundesweit härteste Schuldenbremse

Studie sieht Investitionslücke von 44 Milliarden Euro beim Haushalt bis 2033

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Sachsen gibt derzeit einige Hundert Millionen Euro im Jahr für den Bau oder die Sanierung von Straßen aus. Um die Substanz zu erhalten, müsste aber eine Milliarde investiert werden. »Derzeit ist der Verzehr größer als der Ersatzbau«, sagt Torsten Windels von der Forschungsgruppe für Strukturwandel und Finanzpolitik. Auch in Schulen und Kitas, Krankenhäuser und andere öffentliche Infrastruktur müsste seiner Ansicht nach deutlich mehr Geld fließen, um sie zu erhalten. Eine Studie, die Windels für den sächsischen DGB erstellt hat, beziffert den Investitionsbedarf für die nächsten zehn Jahre auf 44 Milliarden Euro.

Das Problem ist freilich: Sachsen betreibt eine, wie Windels formuliert, »sehr konservative Finanzpolitik«. Die Schuldenbremse, die sich der Freistaat 2013 in die Landesverfassung schrieb, gilt als härteste bundesweit, etwa wegen extrem kurzer Tilgungsfristen. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist derweil die niedrigste im Ländervergleich. Sachsens seit 1990 ununterbrochen regierende CDU erachtet das als Ausweis guter und vorausschauender Politik.

Der DGB sieht darin ein Hemmnis für die Entwicklung des Landes, angesichts von Herausforderungen wie dem demografischen Wandel und den Umbrüchen in wichtigen Wirtschaftszweigen. Sachsen habe sich einen »Hürdenlauf mit Fußfesseln« verordnet, der »nicht schlau« sei, sagt Landesvize Daniela Kolbe. Windels merkt an, wenn etwa die Errichtung von Neubauten verschoben werde, um keine Kredite aufnehmen zu müssen, werde die Zinsersparnis in der Regel von steigenden Baukosten aufgefressen. Die solide Finanzlage des Landes sei vielmehr ein »guter Ausgangspunkt, um mehr Schulden aufzunehmen«.

Die Studie soll denn auch bewirken, dass sich die Landespolitik von der »Fußfessel« einer allzu rigiden Finanzpolitik befreit und die Schuldenbremse reformiert. Darauf werde man im anlaufenden Wahlkampf für die Landtagswahl am 1. September drängen, sagt der DGB-Landesvorsitzende Markus Schlimbach: »Wir werden das den Parteien bei jeder Gelegenheit unter die Nase reiben.«

Schon jetzt steckt Sachsen im Ländervergleich nicht wenig Geld in öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur. Die Investitionsquote liegt bei 15,9 Prozent, nur unwesentlich niedriger als in Bayern und höher als in Baden-Württemberg. Allerdings können damit in den laufenden Etats nur rund 1,5 Milliarden Euro lockergemacht werden. Der Bedarf liegt laut DGB-Studie jedoch bei 4,5 Milliarden Euro jährlich. Für das nächste Jahrzehnt hält das Papier allein Investitionen in Schulgebäude von 6,6 Milliarden für notwendig. Bei Kitas sind es 1,7 Milliarden, bei Krankenhäusern zwischen 2,5 und 4 Milliarden Euro. Dabei rede man noch nicht über Ausgaben für das Personal, betont Schlimbach: »Wir haben uns auf das konzentriert, was in Beton gegossen wird.«

Der DGB räumt ein, dass mehr Investitionen auch möglich wären, ohne die Schuldenbremse anzutasten, die vor allem von der CDU zur »heiligen Kuh« erklärt wurde. Wenn man Hilfspakete für die Coronakrise nicht in sechs Jahren tilge, sondern wie in Nordrhein-Westfalen über 50 Jahre hinweg, und zudem die Zahlungen in einen Pensionsfonds für Beamte halbiert würden, hätte man zusätzlich eine Milliarde Euro zur Verfügung, rechnet Windels vor. Zudem erlaube die Schuldenbremse eine Kreditaufnahme durch Einrichtungen wie die Sächsische Aufbaubank oder den Immobilienbetrieb des Landes.

Andere Bundesländer gründeten auch Investitionsgesellschaften für Infrastruktur, Hochschul- oder Wohnungsbau, sagt Windels. »Sie versuchen sich aus den Korsetts freizustrampeln, die sie sich mit der Schuldenbremse gegeben haben.« Ein echter Befreiungsschlag gelänge aber nach Ansicht des DGB nur mit der Lockerung oder Abschaffung der Schuldenbremse – wofür die Verfassung geändert werden müsste. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es diese nach der Wahl nur noch mit der AfD gibt.

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