Bezahlkarte für Geflüchtete: Wegner will doch Diskriminierung

Berlins Regierender Bürgermeister plädiert für eine Bezahlkarte mit limitiertem Bargeld-Zugang für Geflüchtete

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will Geflüchteten den Zugang zu Bargeld erheblich erschweren. Sie sollen nur noch eine monatlich begrenzte Summe mit der noch einzuführenden Bezahlkarte abheben können, sagte Wegner gegenüber dem »Tagesspiegel«. Er nannte keine Zahl, aber verwies auf Hamburg und Bayern, die ein Limit von 50 Euro planen. »Entscheidend ist für mich, dass wir keinen Flickenteppich bekommen.«

Wegner begründete seine Haltung mit dem Scheinargument, dass Geflüchtete die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in ihre Herkunftsländer schicken würden und das Geld unter Umständen bei »Schlepperorganisationen« lande. Für diese Behauptung gibt es keine belastbaren Beweise.

Damit stellt er sich gegen die SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe. Die hatte Berlins Teilnahme am länderübergreifenden Ausschreibungsverfahren für ein Bezahlkartensystem für Asylbewerber*innen nur unter der Bedingung zugestimmt, dass Bargeldabhebungen ohne diskriminierende Einschränkungen möglich bleiben sollten.

Der Landeschef widerspricht nicht nur seiner Koalitionspartnerin, sondern auch sich selbst. Am 1. Februar sagte er in der Plenarsitzung: »Ich glaube, dass es zwingend erforderlich ist, dass Menschen, die dann mit einer Bezahlkarte ausgestattet werden, selbstverständlich auch die Möglichkeit haben müssen, Bargeld abzuheben«, und ergänzte: »Ziel ist es im Kern, dass wir mit einer sogenannten Bezahlkarte stärker zu Effizienzsteigerungen kommen und insbesondere auch den Verwaltungsaufwand reduzieren.« Am 22. Februar beteuerte er: »Ich will, dass so eine Bezahlkarte übrigens auf gar keinen Fall diskriminierend wirkt.«

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

»Die Kommunikation des Regierenden Bürgermeisters war sehr unehrlich«, ärgert sich Jian Omar, migrationspolitischer Sprecher der Grünenfraktion. Auch in Ausschüssen und gegenüber Hilfsorganisationen hätte Wegner immer wieder betont, dass die Karte nicht zu Diskriminierung führen solle. Eine Bargeld-Begrenzung sei aber genaus das: eine krasse Ungleichbehandlung von Geflüchteten.

So sieht das auch Elif Eralp von der Linksfraktion. »Das ist ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Geflüchteten und hat stigmatisierende Wirkung.« Sie erkennt in dem Ansinnen nur populistische Hetze: »Wenn jemand sich das Geld vom Mund abspart und einen Teil nach Hause schickt, dann ist das die Sache der Person.« Seit 2024 erhalten Asylbewerber*innen 204 Euro im Monat.

Und wie geht es mit dem Konflikt innerhalb der Koalition weiter? »Ich befürchte, dass die Sozialsenatorin vor dem Druck der CDU und des Regierenden Bürgermeisters einknicken wird«, sagt Eralp.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.