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Berliner CDU: Antirassismus, nur ohne Staatskritik

Zum Internationalen Tag gegen Rassismus leugnet die CDU im Abgeordnetenhaus strukturelle Probleme

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Internationalen Tag gegen Rassismus hält Tuba Bozkurt eine bewegende Rede. Die Grünen-Politikerin erzählt im Berliner Abgeordnetenhaus von einer Kindheit, die von den rassistischen Pogromen der 90er Jahre geprägt war: »Der Anschlag in Lübeck, im Wohnort neben meinen Großeltern, bleibt eine angsterfüllte Erinnerung. Jetzt verstehe ich, warum wir nachts das Licht anließen, wenn wir schlafen gingen.«

Die Angst erstreckt sich in die Gegenwart. »Viele Rassismus-Betroffene berichten vom Gefühl des bereits gepackten Koffers im Flur«, so Bozkurt. Sie selbst überlege gemeinsam mit Freund*innen: »Wohin fliehen wir, wenn es so weit ist? Was nimmt man mit, wo wird man wohnen, wo überhaupt ist ein sicherer Ort?« Die Deportationspläne von AfD-Politiker*innen und rechtsextremen Verbündeten bestärkten das Gefühl der Unsicherheit.

Diese völkischen Fantasien haben in der migrantischen Community einen tiefen Eindruck hinterlassen. Das bestätigt Ayse Demir vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB). »Seit den Enthüllungen aus Potsdam sind die Menschen sehr besorgt«, sagt sie zu »nd«. »Wir bekommen viele Fragen, zum Beispiel, ob Aufenthaltstitel erlöschen, wenn die AfD eine Regierungsbeteiligung hätte.« Der TBB fordert deshalb: »Jeder Tag muss ein Kampf gegen Rassismus in unserer Gesellschaft sein.«

Doch wie dieser Kampf aussehen sollte, da sind sich die demokratischen Fraktionen am Donnerstag in der Plenardebatte uneinig. Grüne und Linke sprechen strukturelle Probleme an: Racial Profiling, also auf rassistischen Vorurteilen basierende Polizeikontrollen, das Berliner Neutralitätsgesetz, das kopftuchtragende Frauen aus dem Staatsdienst ausschließt, oder Aufenthaltsgesetze, die Geflüchteten ein selbstbestimmtes Leben verwehren. Elif Eralp, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, sieht einen Zusammenhang zwischen der migrationsfeindlichen Polemik des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) und rassistischer Gewalt: »Hören Sie auf, Geflüchtete zu kriminalisieren und zu stigmatisieren, das ist Butter auf das Brot der AfD.«

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In Bezug auf das Neutralitätsgesetz fordern Eralp und Bozkurt endlich die Abschaffung. Über ein Jahr ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde des Landes Berlin gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes ablehnte – und damit die Rechtswidrigkeit des Neutralitätsgesetzes in seiner derzeitigen Form bestätigte. Doch weiterhin dürfen Berliner Lehrerinnen, die Kopftuch tragen, nicht verbeamtet werden.

Eralp und Bozkurt sprechen auch strukturelle Probleme innerhalb der Polizei an. »Als der NSU mordend durch das Land zog, sprach die mediale Öffentlichkeit von ›Dönermorden‹, die Angehörigen wurden ins zwielichtige mafiöse Umfeld gerückt«, erinnert sich Bozkurt. Eralp schlägt den Bogen zur rechten Anschlagserie in Neukölln, »die unser Kollege Ferat Koçak und seine Familie nur durch Glück überlebten«. Dass sogar ein ermittelnder Beamter in einen rassistischen Angriff verwickelt ist und sich trotzdem noch im Dienst befindet, nennt Eralp als Beispiel für strukturellen und institutionellen Rassismus. Mit einem Antrag fordert ihre Fraktion, Empfehlungen aus Expert*innenkommissionen endlich umzusetzen.

Institutioneller Rassismus? Davon will der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner nichts wissen. Er verurteilt zwar ganz klar Diskriminierung und rassistische Gewalt, möchte aber keine Kritik am Staat zulassen: »Ich habe geprüft für mich: Ist Rassismus in die Strukturen von Berlin eingeflossen? Meine Erkenntnis ist: Wir haben keinen strukturellen oder institutionellen Rassismus in Berlin.« Für die »bürgerliche Mitte« hält Stettner diejenigen, die sich gegen Rassismus positionieren, ohne die Staatsgewalt infrage zu stellen. Und »nur diese Mitte trägt unsere freiheitliche demokratische Grundordnung«.

Statt sich um gesetzlich manifestierte Ungleichheiten zu kümmern, schaut die Koalition also lieber auf ihre Erfolge. Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) freut sich, dass das Abgeordnetenhaus die Finanzierung von Antidiskriminierungsprojekten fast verdoppelt hat. »Wir haben damit die Möglichkeit, die starken zivilgesellschaftlichen Organisationen zu stärken.«

Also kommt von Schwarz-Rot doch mehr als nur Lippenbekenntnisse im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit? Laut Derviş Hızarcı von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (Kiga) ist von dem versprochenen Geld noch nichts angekommen. »Die Situation ist nach wie vor prekär, es gibt so viele Anfragen wie nie zuvor in unserer Geschichte.« Dabei hätte Kiga noch bessere Karten als andere Antidiskriminierungsprojekte, weil der Kampf gegen Antisemitismus immerhin auf politischer Ebene Konsens sei.

Strukturellen Rassismus zu leugnen, hält Hızarcı für fatal. »Wie kann man alle wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu ignorieren? Das ist so ein Patriotismusreflex, aber es geht auch darum, Rassismus als Einzelfall abzutun.«

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