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Sachsen-Kenia: Zerfallserscheinungen auf der Zielgeraden

Cannabis-Abstimmung im Bundesrat zeigt zerrütteten Zustand der Koalition aus CDU, Grünen und SPD

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Uneinig im Bundesrat: CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer (vorn links) sowie seine Stellvertreter Martin Dulig (SPD, dahinter) und Wolfram Günther (Bündnisgrüne, vorn rechts)
Uneinig im Bundesrat: CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer (vorn links) sowie seine Stellvertreter Martin Dulig (SPD, dahinter) und Wolfram Günther (Bündnisgrüne, vorn rechts)

Es war eine Szene für die Geschichtsbücher: Am vergangenen Freitag stimmte der Bundesrat über das Cannabisgesetz der Bundesregierung ab. Als der Freistaat Sachsen an der Reihe war, plädierte CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Aus der zweiten Reihe meldete daraufhin Martin Dulig, sein Stellvertreter von der SPD und Wirtschaftsminister, Widerspruch an. Schließlich erklärte der neben Kretschmer sitzende Umweltminister Wolfram Günther, Vize-Ministerpräsident von den Grünen, man enthalte sich. Wegen des uneinheitlichen Stimmverhaltens erklärte Manuela Schwesig, die Präsidentin des Bundesrates, die sächsischen Stimmen für ungültig. Es war ein Schauspiel, wie es der Bundesrat selten erlebt, das aber zugleich den desaströsen Zustand des Regierungsbündnisses in Sachsen fünf Monate vor der nächsten Landtagswahl illustriert.

Eigentlich hätte der sächsische Koalitionsvertrag für einen Fall wie am Freitag mit unterschiedlichen Positionen der Koalitionspartner vorgesehen, dass sich der Freistaat bei der Abstimmung im Bundesrat enthält. Kretschmer, der bereits Tage vorher beim Twitter-Nachfolger X angekündigt hatte, das Cannabisgesetz im Vermittlungsausschuss quasi verhungern lassen zu wollen, ignorierte diese Regelung eiskalt. Vor allem die Grünen schäumten. Der Regierungschef habe »unseren Koalitionsvertrag verletzt«, erklärte Günther; die CDU stehe »nicht mehr für Vertragstreue«. An diesem Dienstag soll sich der Koalitionsausschuss mit dem Vorfall befassen.

Wahljahr Ost

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Konsequenzen wird es so wenig geben wie Mitte März, als der größte Koalitionspartner schon einmal die Grünen demütigte. Die CDU-Fraktion erklärte, das Agrarstrukturgesetz nicht mittragen zu wollen. Es soll den Anstieg der Kauf- und Pachtpreise für Ackerland dämpfen und ist ein Herzensprojekt der Grünen. Auch da sprach Günther vom »Bruch des Koalitionsvertrags«. Er kündigte an, das Gesetz im Mai dennoch zur Abstimmung im Plenum stellen.

Zuvor war die SPD von der CDU schmerzhaft vor das Schienbein getreten worden. Ebenfalls auf X servierte Kretschmer das Vergabegesetz ab, das faire Löhne bei öffentlichen Aufträgen ermöglichen soll und für das die Sozialdemokraten seit zehn Jahren kämpfen. Wenn jedoch Unternehmerverbände und Kommunen gegen das Gesetz seien, »dann wird es dieses nicht geben«, schrieb Kretschmer. Das Kabinett gab es dann trotzdem zur Anhörung frei. Vor Ende der Wahlperiode, musste Dulig einräumen, werde es aber nicht mehr beschlossen.

Die Koalition aus CDU, Grünen und SPD wurde im Herbst 2019 besiegelt, weil sie die einzige Möglichkeit einer Regierung ohne AfD bot. Anfangs bemühte man sich um konstruktiven Umgang. Die Grünen tischten bei den Koalitionsverhandlungen einen Mettigel auf, was die CDU freute. Im Regierungsvertrag, sagte Dulig damals, habe man hie und da »stärker den Ansatz einer Partei wirken lassen, als den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen«. Kretschmer resümierte: »Wir haben niemanden gedemütigt und über den Tisch gezogen.«

Das ist lange her. »Mit dem vernünftigen Umgang ging es stetig bergab«, sagte Grünen-Landeschefin Christin Furtenbacher kürzlich. Fest vereinbarte Projekte würden »ständig einseitig aufgekündigt, torpediert oder verzögert«, rügte SPD-Landeschef Henning Homann. Das trifft wohl auch auf Verfassungsänderungen zu, die ebenfalls im Koalitionsvertrag avisiert wurden und auf die sich das Bündnis im Dezember nach langen Verhandlungen geeinigt hatte. Weil Abweichler in der CDU drohen, die Mehrheitsverhältnisse aber knapp sind, wird darüber wohl nicht mehr abgestimmt.

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