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Tempelhofer Feld: Ran an die Randbebauung

Der Senat treibt die Pläne für die Bebauung des Tempelhofer Felds voran

Steht hier bald mehr als Wohncontainer? Vogelperspektive auf das Tempelhofer Feld
Steht hier bald mehr als Wohncontainer? Vogelperspektive auf das Tempelhofer Feld

Der Druck auf das Tempelhofer Feld steigt. Während es sonst vor allem Stimmen aus der Berliner Regierung waren, die eine Randbebauung des ehemaligen Flughafens ins Spiel brachten, mischt jetzt auch die Bundespolitik in der Diskussion mit. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) fehlen auf dem Tempelhofer Feld Schattenplätze. Im Interview mit dem »Tagesspiegel« meinte sie, dass das Areal groß sei und dort viele Dinge umgesetzt werden könnten. Aber: »Ob man diesen Platz nutzt, um die Wohnungsknappheit zu bekämpfen, müssen die Berliner entscheiden.«

Auch in dieser Frage gibt es Neuigkeiten: In einer auch vom »Tagesspiegel« in Auftrag gegebenen repräsentativen Befragung zum Vorschlag, den Rand des Feldes mit Wohnungen zu bebauen, sagten 47 Prozent der 1500 Befragten, sie hielten das für eindeutig richtig. Elf Prozent meinten, der Vorschlag sei eher richtig, nur 33 Prozent sprachen sich gegen eine Bebauung aus.

Beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld 2014 hatten sich noch 64 Prozent der Befragten für den Erhalt des Feldes ausgesprochen. Ergebnis des bisher einzigen erfolgreichen Gesetzes-Volksentscheids in Berlin war das Tempelhofer-Feld-Gesetz, das eine dauerhafte Bebauung des Geländes untersagt. Zugleich wurde damals auch über einen Gesetzentwurf des damaligen Senats abgestimmt. Dieser sah genau das vor, was mittlerweile anscheinend eine Mehrheit der Berliner*innen in Ordnung findet: eine Bebauung des Feldrandes. Dieser Vorschlag wurde damals abgeschmettert – eine Klatsche für den damaligen rot-schwarzen Senat.

Jenseits von Meinungsbildung werden auch Fakten geschaffen. Am 14. März beschloss der Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses mit den Stimmen der Regierungskoalition eine Änderung des besagten Tempelhofer-Feld-Gesetzes. Zum einen wurde die Ausnahmeregelung für die Errichtung einer Geflüchtetenunterkunft am norwestlichen Rand des Feldes, die 2025 auszulaufen drohte, verlängert. Gleichzeitig wurden aber die Flächen dafür in Richtung Osten um 14 Hektar erweitert. Weichen müssen Sportanlagen, die dann aber auf dem ehemaligen Flughafengelände ausgeglichen werden sollen.

Der Senat stellt aber auch sonst alle Weichen, um die Bebauung mit Wohnungen Realität werden zu lassen. Sowohl Bürgermeister Kai Wegner (CDU), als auch seine Senatskollegen machen immer wieder, begründet mit der Wohnungsnot, Stimmung dafür. Bereits im Dezember kündigte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) einen »Ideenwettbewerb« und »Dialogwerkstätten« an. In diesen soll, so Gaebler, diskutiert werden, wie eine »behutsame Randbebauung« stattfinden soll – nicht ob. Ursprünglich sollten die »Dialogwerkstätten« bereits im April starten, aber die berlintypischen Verzögerungen machen auch hier nicht halt: Losgehen soll es im September.

Die Meinung kippt in Richtung Randbebauung, der Senat prescht voran. Also alles in Sack und Tüten, was das Tempelhofer Feld betrifft? Mitnichten. »Die Umfrage des ›Tagesspiegel‹ können wir nicht ernst nehmen«, meint Lisa Wiedekamm von der Initiative 100 % Tempelhofer Feld. Es könne schon sein, dass die befragten Leser*innen das so sähen.Wiedekamm verweist auf eine Petition, die fordert, das Feld als Unesco-Weltkulturerbe eintragen zu lassen und es so langfristig zu schützen. Diese hat bereits 36800 Unterstützer*innen. »Die Stimmung in Berlin hat sich nicht geändert, auch wenn das manche gerne so hätten«, meint die Aktivistin.

Zugleich kritisiert Wiedekamm das Vorgehen des Senats. Die Art und Weise, wie die Flächen für die Geflüchtetenunterkunft erweitert werden sollen, sieht sie kritisch. »Das ist ein wie ein trojanisches Pferd.« Für die Ausgleichsflächen für die Sportvereine müsste ja schon die nächste Ausnahme vom Tempelhofer-Feld-Gesetz gemacht werden, so Wiedekamm. »So wird Stück für Stück der ganze Rand vereinnahmt.« Auch die »Dialogwerkstätten« hält sie für Meinungsmache: »Dass dort nicht einmal diskutiert werden soll, ob eine Randbebauung gewünscht ist, zeigt doch, dass der Senat mit Scheuklappen durch die Berliner Gesellschaft zieht.«

Dass überhaupt die Flächen des Feldes für Wohnungsneubau herangezogen werden, hält nicht nur Wiedekamm für falsch. Der Naturschutzbund Berlin (Nabu) etwa hat in einer Untersuchung festgestellt, dass es in Berlin 1140 Hektar bereits versiegelte Flächen gibt, die bebaut werden könnten – drei Mal so viel wie das gesamte Tempelhofer Feld. Das seien vor allem große Parkplätze, einstöckige Supermärkte und andere Bauten sowie leerstehende Gebäude, so der Nabu.

Von dem Vorgehen des Senats einschüchtern lässt sich 100 % Tempelhofer Feld nicht. »Wir wollen das Feld sichtbarer machen«, meint Wiedekamm. Dafür soll unter anderem zum zehnjährigen Jubiläum des Volksentscheids im Mai der »Feldliebemonat« stattfinden, in dem es zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen von verschiedenen Initiativen und Vereinen geben wird.

Zudem ist die Initiative Teil des Bündnisses für nachhaltige Stadtentwicklung, in dem sich 39 Initiativen zusammengeschlossen haben. Denn auch anderswo in Berlin sind Grünflächen durch Baumaßnahmen bedroht. »Es gibt viele kleine Felder in der Stadt, seien es Innenhöfe, Parks oder Naturschutzgebiete. Eine moderne Stadt sollte keine Grünflächen versiegeln«, fordert Wiedekamm.

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