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Der DFB-Kader für die Fußball-EM ist so gut wie fix

Weil die deutschen Fußballer auch gegen die Niederlande überzeugen, hat es nun jeder schwer, der nicht dabei war

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Maximilian Mittelstädt (M.) zementierte nicht nur mit seinem Sonntagsschuss zum 1:1 gegen die Niederlande seinen Platz im EM-Kader.
Maximilian Mittelstädt (M.) zementierte nicht nur mit seinem Sonntagsschuss zum 1:1 gegen die Niederlande seinen Platz im EM-Kader.

Dass bei Heimspielen von Eintracht Frankfurt die »dritte Halbzeit« oft länger dauert als die zwei Hälften eines Fußballspiels, ist im riesigen Businessbereich unter der Frankfurter Haupttribüne keine Seltenheit. Doch diesmal waren es nicht die VIP-Gäste der Eintracht, die Sitzfleisch bis weit nach Mitternacht bewiesen. Viele deutsche Nationalspieler mitsamt ihren Familien wollten nach dem erfolgreichen Härtetest gegen die Niederlande (2:1) gar nicht mehr gehen. Auch unter den Hauptdarstellern hatte dieser beschwingte Länderspielabend etwas ausgelöst. Vorfreude auf die Europameisterschaft im eigenen Land in diesem Sommer.

Treffend kommt die Online-Petition daher, als Torhymne doch bitte immer den 80er-Jahre-Hit »Völlig losgelöst« von Peter Schilling einzuspielen, was beim Führungstreffer auch prompt geschehen war. Völlig losgelöst trifft die Stimmungslage rund um die DFB-Auswahl bestens. Auch Julian Nagelsmann dürfte im Takt mitgegangen sein: Den Bundestrainer durchströmte ein in diesem Job noch nicht bekanntes Glücksgefühl. »Die zehn Tage haben sehr viel Spaß gemacht«, räumte der 36-Jährige ein. Und plötzlich sei da »ein gutes Gefühl«.

Seine Mannschaft hat nach dem Ausrufezeichen in Frankreich (2:0) ein weiteres nachgelegt. Die Tristesse weicht damit Titelträumen. Pfiffe schlagen in Applaus um. Spielfreude und Kombinationssicherheit, Moral und Wille sind wiederbelebt. Wie die Heimmannschaft in ihren pink-lilafarbenen Trikots das Ruder in der Schlussphase dank der Einwechslungen noch herumriss, hatte Nagelsmann gefallen. Erst sorgten Pascal Groß und Thomas Müller wieder für mehr Ordnung und Zug im zunehmend konfusen deutschen Spielaufbau, dann wuchtete Niclas Füllkrug die Kugel mit der Schulter knapp hinter die Torlinie. Fertig war das vorösterliche Präsent für Fans und Verband.

»Wir haben das Stadion am Ende richtig heiß gemacht. Wir wollten unbedingt gewinnen und sind mehr Risiko gegangen als der Gegner«, freute sich Nagelsmann. »Der Spirit hat sich ganz anders angefühlt als im November.« Damals hatte seine Elf gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) noch zwei Bruchlandungen hingelegt. Jetzt hat sich der Bundestrainer als Entfesselungskünstler verdingt. Dass die deutschen Fußballer gegen den Vizeweltmeister Frankreich und den Weltranglistensechsten Niederlande spielerisch und kämpferisch Akzente setzen, schien vor wenigen Wochen noch undenkbar. Dauerbrenner Müller spürte dann auch den Wandel auf den Tribünen: »Die Leute haben Lust auf Fußball, aber halt auf erfolgreichen.«

Unweit vom Sitz des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wuchs am Dienstagabend die Zuversicht, dass das Aushängeschild sich nicht mehr so blamiert wie bei der WM 2022 in Katar oder 2018 in Russland. Und dass Deutschland bei der Heim-EM sogar weiter als nur bis ins Achtelfinale kommt, wie vor drei Jahren, als England die Ära des damaligen Bundestrainers Joachim Löw beendete.

Plötzlich könnte die EM 2024 lieber heute als morgen beginnen. Optimismus und Harmonie gilt es nun jedoch zwei Monate lang zu konservieren, bis sich das Team Ende Mai bei Weimar auf das Turnier vorbereitet, dann gegen die Ukraine in Nürnberg (3. Juni) und gegen Griechenland in Mönchengladbach (7. Juni) testet, ehe es mit dem EM-Eröffnungsspiel gegen Schottland in München (14. Juni) ernst wird. Die Grundlage scheint gelegt, denn im Grunde steht nun auch der EM-Kader.

»Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben – und besser sein als diejenigen, die dabei sind«, erklärte Nagelsmann. »Wir werden auf keinen Fall zehn oder fünf Spieler tauschen, das steht außer Frage. Vielleicht einen oder zwei, wenn sich niemand verletzt.« Der jetzt noch für ein Spiel gesperrte Leroy Sane rückt wohl noch in den Kader, aber Mats Hummels, Niklas Süle, Julian Brandt oder Leon Goretzka wahrscheinlich nicht mehr. Selbst wenn sie schon im Klassiker zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund am Samstag brillieren sollten, könnte das zu spät kommen.

Denn Nagelsmanns Radikalkur hat voll angeschlagen. Die Schwachstellen sind ausgemerzt, neue Reize gesetzt. Das grundrenovierte Aufgebot mit klaren Rollenzuweisungen funktioniert, weil zumindest ein Teil nicht mehr den Ballast des Scheiterns mit sich rumschleppt. Der zurückgekehrte Lenker Toni Kroos erklärte es so: »Vor ein paar Monaten wären wir nach dem 0:1 wahrscheinlich halb zusammengebrochen – aber das ist nicht passiert.«

Weil es Stehaufmännchen wie Maximilian Mittelstädt gibt. Als der Neuling bei einem Rückpass patzte, sodass der Niederländer Joey Veermann nach vier Minuten zur Führung der Gäste traf, bügelte der Linksverteidiger sein Malheur selbst zum 1:1 wieder aus. »Wenn er so weitermacht, ist er ein Spieler für die EM«, lobte Nagelsmann sofort. Wer hätte gedacht, dass der mit Hertha BSC vergangenes Jahr abgestiegene Mittelstädt im März 2024 die Nationalelf aus dem Mittelmaß führt?

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