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Brandenburg: Klassenfeinde bleiben straffrei
Wegen Behinderung von Betriebsräten hat die Brandenburger Staatsanwaltschaft seit 2020 nie Anklage erhoben
Arbeitgeber setzen mitunter einiges in Bewegung, um Arbeiter*innen in ihrer Interessenvertretung einzuschränken oder zu beeinflussen. Das war zuletzt am Beispiel des renommierten Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam bekannt geworden. Das HPI agiere »klar im strafbaren Rahmen nach Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes«, schätzte ein Arbeitsrechtler im Gespräch mit »nd« ein. Doch bisher wurde wohl weder Anzeige erstattet, noch ein Strafantrag gegen das Institut gestellt.
Dass ein solcher ohnehin kaum Aussicht auf Erfolg hätte, geht aus Daten hervor, die die Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage von »nd« zugänglich machte. In den Jahren 2020 bis 2023 wurden demnach gegen 35 Beschuldigte »Anzeigesachen angelegt beziehungsweise Verfahren eingeleitet«. 2020 seien Verfahren gegen elf, 2021 gegen einen, 2022 gegen neun und 2023 gegen 14 Beschuldigte eingeleitet worden. Dabei sei in keinem der Verfahren eine Anklage erhoben worden.
Der Paragraf 119 des für Betriebsräte maßgebenden Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) stellt die Behinderung von Betriebsratsarbeit und Störung von Betriebsratsgründung unter Strafe. Das Höchststrafmaß beträgt ein Jahr Haft. Vergehen, die unter Paragraf 119 BetrVG fallen, sind sogenannte Antragsdelikte. Nur wenn explizit ein Strafantrag gestellt wird, darf die Staatsanwaltschaft ermitteln. Er kann jedoch ausschließlich von einer Gewerkschaft oder dem Betriebsrat selbst gestellt werden.
Die Ampel-Regierung plant eine Reform hin zu einem Offizialdelikt, sodass Staatsanwaltschaften selbst Ermittlungen aufnehmen müssten, wenn sie davon Kenntnis erlangten, zum Beispiel durch Medienberichte oder Whistleblower. Es ist jedoch ungewiss, ob die Reform noch in dieser Legislaturperiode kommt. »Ein konkreter Zeitplan zur Umsetzung besteht noch nicht«, erklärt das Bundesarbeitsministerium auf nd-Anfrage.
Wenn in Brandenburg Verfahren eingestellt wurden, dann weil die zu erwartende Strafe und das öffentliche Interesse als zu gering eingeschätzt wurden oder die Ermittlungsergebnisse keine Verurteilung in Aussicht gestellt hätten, teilt die Generalstaatsanwaltschaft »nd« mit.
Als ein Grund, warum überhaupt so wenige Anzeigen erstattet werden, gilt die geringe Aussicht auf Erfolg. Antje Thomaß hatte als Sekretärin der Gewerkschaft Verdi das Betriebsratsprojekt am HPI betreut. Sie hatte »nd« gesagt, dass von einer Klage gegen die Geschäftsführung seinerzeit abgesehen worden sei, weil laut damaligem Stand »das Agieren der Geschäftsführung und die Störungsqualität noch im Graubereich« gelegen hätten. »Heute kämen wir möglicherweise zu einer anderen Einschätzung«, sagt sie, nachdem eine Recherche von Correctiv weitere mutmaßliche Details ans Licht gebracht hat.
Außerdem habe man auf eine Klage bewusst verzichtet, weil man die Lage nicht noch weiter eskalieren lassen wollte. Doch es ist fraglich, ob mittlerweile der Rechtsweg noch offen ist. Denn eine Klage muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis der Vergehen erfolgen.
Die Vorgänge am HPI waren vergangene Woche auch Thema im Landtag. Die Linke hatte einen Antrag eingebracht, der eine Aufklärung des Sachverhalts erreichen sollte. Die anderen Fraktionen lehnten den Antrag ab. Die Politik habe sich aus den Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen herauszuhalten, hieß es durch die Bank. Die Zuständigkeit liege bei den Gerichten.
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