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ELN: »Die Rechte blockiert alle Reformvorhaben des Präsidenten«
Der ELN-Gründer Nicolás Rodríguez glaubt nicht an einen schnellen Friedensprozess
In Kolumbien wurde mit Gustavo Petro 2022 erstmals ein linker Präsident gewählt. Hat das die politischen Koordinaten nicht völlig verändert?
Das Lateinamerika von heute ist nicht mehr der Kontinent der 60er Jahre, das ist richtig. Fast überall haben sich seit 2000 zumindest vorübergehend progressive Regierungen durchgesetzt, und Präsident Petro steht in diesem Zusammenhang. Nach dem Armutsaufstand, den es in Kolumbien während der Corona-Pandemie im April 2021 gab, hat Petro die soziale Unzufriedenheit im Land geschickt kanalisiert. Doch auch wenn seine Regierung einen wichtigen Fortschritt darstellt, bleibt der Bevölkerung der Zugang zur Macht verstellt. Die Rechte verhindert alle wichtigen Sozialreformen – zum Beispiel die des Gesundheitswesens und des Rentensystems. Dabei sind das eher liberale als revolutionäre Vorhaben.
Die ELN verhandelt mit der Regierung Petro über ein Friedensabkommen, und Sie haben eine Agenda vereinbart. Warum kommen die Gespräche nicht schneller voran?
Die ELN strebt seit den 90er Jahren eine politische Lösung des bewaffneten Konflikts in Kolumbien an. Aber die Regierungen Kolumbiens haben eine ganz andere Vorstellung davon, was Frieden ist, als wir. Für sie geht es um die Demobilisierung der aufständischen Gruppen. Eine Entwaffnung der Guerilla ändert aber nichts an den sozialen und politischen Problemen des Landes. Die Ursachen des bewaffneten Konflikts, die soziale Ungleichheit und die Konzentration der politischen Macht in den Händen weniger, bleiben unangetastet. Für uns besteht ein Friedensprozess darin, dass der politischen Gewalt durch soziale Veränderungen die Grundlage entzogen wird.
Der Präsident Gustavo Petro war in seiner Jugend auch in einer linken Guerilla, sein wichtigstes Reformvorhaben ist die Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens. Ist das nicht unterstützenswert?
Nicolás Rodríguez Bautista wurde 1950 im nordostkolumbianischen San Vicente de Chucurí in einer Familie von Kakaobäuer*innen geboren. 1964 schloss er sich im Alter von nur 14 Jahren der ELN-Guerilla an und wurde nach dem Tod des spanischen Priesters Manuel Pérez Kommandant der Organisation. Fast sechs Jahrzehnte verbrachte Rodríguez im Urwald, bis er an Krebs erkrankte und im Rahmen der Friedensgespräche mit der kolumbianischen Regierung 2018 zur Behandlung nach Kuba ausreiste. Seitdem gehört er zur Verhandlungsdelegation der ELN.
Unbedingt. Es ist völlig klar, dass wir in Kolumbien konkrete Reformen brauchen, um die drängendsten Probleme der Bevölkerung zu lindern. Die Reformen, die Petro will, sind richtig und notwendig. Wir unterstützen sie uneingeschränkt. Aber wie gesagt, das Drama besteht darin, dass die traditionelle Oberschicht diese Reformen nicht zulässt. Die Macht der Oligarchie ist so groß und ihre Überzeugungen sind so reaktionär, dass der Präsident sein Programm nicht umsetzen kann.
Die kommunistische FARC-Guerilla galt in den 90er Jahren als echte Bedrohung des politischen Systems. Über die ELN ist immer sehr viel weniger gesprochen worden. Wie groß ist Ihre Organisation heute?
Der Armeegeheimdienst spricht von 5000 Kämpfer*innen. Wir bestätigen die Zahlen der Gegenseite nicht, aber ich denke, das vermittelt eine Vorstellung. In Kolumbien kämpfen wir gegen eine der bestausgerüsteten Armeen Lateinamerikas, die aus den USA, aber auch aus Israel und Großbritannien massiv unterstützt wurde. Trotz des militärischen Drucks haben wir uns in vielen Regionen gehalten. Möglich war das, weil wir versuchen, an der Seite der Bevölkerung zu stehen. Unser Anspruch ist es, ihre Selbstorganisierung zu unterstützen. Wir nennen das Poder Popular – Volksmacht.
Was ist damit gemeint?
Wir wollen die Gemeinschaften ermächtigen, sich selbst zu regieren. Wir begreifen uns nicht als Avantgarde, sondern als Unterstützer der Massen. Politische Organisationen sind wichtig, aber das Entscheidende an Revolutionen ist die Organisierung der Bevölkerung selbst.
Das sichtbarste Problem Kolumbiens ist die Gewalt des Drogenhandels. Und die Guerilla hat dem Kokain-Geschäft Tür und Tor geöffnet.
Dem muss ich, was die ELN angeht, vehement widersprechen. Es war die extreme Rechte, die den Koka-Anbau in die ELN-Gebiete gebracht hat. Wir haben uns dem Anbau widersetzt, ihn aus einigen Gebieten auch herausgedrängt. Es stimmt, dass wir Drogenhändler besteuern, die bei Koka-Bauern kaufen, aber die ELN ist nirgends am Drogenhandel beteiligt. Ein ELN-Mitglied, das diese Regel bricht, wird hart bestraft. Deswegen waren wir auch immer eine Organisation mit großen finanziellen Problemen. Aber diese Schwierigkeiten nehmen wir gern in Kauf.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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