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Baldiges Ende für Tarifflucht mit öffentlichen Geldern?
Noch im Frühjahr soll das Tariftreue-Gesetz parlamentarisch beraten werden
Die Vorbereitungen für das Tariftreue-Gesetz befinden sich auf den letzten Metern. Noch im Frühjahr soll ein Entwurf in die parlamentarische Beratung gehen, wie es aus dem Wirtschaftsministerium auf nd-Anfrage heißt. Mit dem Gesetz wird die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch den Bund an die Einhaltung von Tarifverträgen gekoppelt.
Das Gesetzesvorhaben soll auch die Tarifbindung in Deutschland stärken. Sie befindet sich seit Jahrzehnten im Abwärtstrend. Nur noch etwa die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in tariflich geregelten Jobs – verteilt auf bloß ein Viertel aller Betriebe. Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen im Osten ist deren Zahl gering.
Dass das von der Regierung anvisierte Gesetz daran in der Fläche etwas ändert, ist nicht gesichert. Denn einerseits sieht der derzeitige Entwurf vor, dass eine Prüfung des jeweils geltenden Tarifvertrages beantragt werden muss. Voraussetzung ist also, dass es in dem jeweiligen Betrieb eine Gewerkschaft gibt, die den Antrag stellt.
Hinzu kommt, dass bislang unklar ist, welche Aufträge überhaupt unter die Regelung fallen sollen. Laut ersten Eckpunkten von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die er im Sommer vergangenen Jahres vorstellte, sollte sie bereits für öffentliche Aufträge ab 10 000 Euro gelten.
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Auch kleine und mittlere Auftragnehmer könnten sich dann nicht um öffentliche Gelder bemühen, wenn sie nicht tarifgebunden sind. »Das wäre ein wichtiges ordnungspolitisches Signal«, sagte Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Doch von der ursprünglichen Zahl scheint sich der aktuelle Planungsstand entfernt zu haben. So hatte die DGB-Chefin Ende Januar erklärt, dass es gut wäre, wenn Aufträge ab 50 000 Euro unter die Regelung fielen. Auf nd-Nachfrage dazu, wie die Differenz zustande kommt, hieß es aus dem DGB, der Gewerkschaftsbund setze sich für eine möglichst niedrige Grenze ein. Die Zahl, die Fahimi genannt hatte, sei lediglich exemplarisch gewesen.
Möglich ist aber auch, dass es sich um einen Kompromissvorschlag handelt, der den Unternehmensverbänden entgegenkommen soll. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte den Reformvorschlag als verfassungswidrig kritisiert, weil der Staat in die vom Grundgesetz geschützte Tarifautonomie intervenieren würde.
Dagegen befürworten zwei Drittel der Beschäftigten ein Eingreifen des Staates, um die Tarifbindung zu erhöhen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die im Auftrag des DGB durchgeführt wurde.
Allein im Jahr 2021 hatte die Bundesregierung Aufträge im Wert von rund 23 Milliarden Euro vergeben, wie aus Zahlen des Wirtschaftsministeriums hervorgeht.
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