Stefan Raab: Manchmal kommen sie wieder. Na und?

Nadia Shehadeh ist das Comeback von TV-Entertainer Stefan Raab egal

Stefan Raab 2015 bei der Pro-Sieben-Show »TV Total Turmspringen«
Stefan Raab 2015 bei der Pro-Sieben-Show »TV Total Turmspringen«

Ostern ist zwar schon ein paar Tage her, aber trotzdem ist man in Unterhaltungsdeutschland noch ein bisschen in Aufruhr, weil just rund um die Feiertage Stefan Raab sein Comeback in den sozialen Netzwerken ankündigte. Grund genug für treue Stefan-Fans, diese Ankündigung zu feiern wie die Auferstehung des Messias. »Der Babo ist zurück«, freute sich Hip-Hop-Größe Haftbefehl. Die Polizei in Hannover nutzte den Dienst-Account, um sich als Servicestelle für etwaige Raab-Produktionen anzubiedern (»Wir stehen für Raab in Gefahr 2.0 jederzeit zur Verfügung«). Und Otto-normal-Fans forderten direkt: »Stefan for President!« Andere hingegen warnten vor der Rückkehr Raabs: Sein Programm habe immer schon für Klassismus, Rassismus, Schmäh-TV gestanden – und habe damit den Grundstein mitverlegt für das klassisch bekannte Mobbing-Fernsehen, das davon lebt, auf Kosten Schwächerer platte Witze zu machen, über die dann ein Millionenpublikum lachen kann.

Als mich jedoch die Nachricht von Raabs Comeback ereilte, konnte sie mir egaler nicht sein. »Was soll Stefan Raab im deutschen TV denn noch schlimmer machen?«, fragte ich mich. Fast schon brav wirkten seine Comeback-Clips mit seinem ewigen Sidekick Elton, die bei Instagram Millionen und bei Tiktok weitaus weniger Menschen erreichten. Ein bisschen Fatshaming, ein bisschen Schießen gegen Influencer*innen, das Ganze so langweilig abgedreht, dass jede*r direkt weggeschaltet hätte, wären die »Hallo, da bin ich wieder!«-Videos nicht von einem TV-Promi ins Netz gestellt worden. Vielleicht aber sehe nur ich das so, weil ich schon seit Jahren quasi allergisch gegen deutsche TV-Produktionen bin und ich meinen Fernseher nur einschalte, um ganz schnell einen Streamingsender anzusteuern, der am besten gar nix mit muffigem Deutsch-TV zu tun hat.

Nadia Shehadeh
Bielefeld

Nadia Shehadeh ist Soziologin und Autorin, wohnt in Bielefeld und lebt für Live-Musik, Pop-Absurditäten und Deko-Ramsch. Sie war lange Kolumnistin des »Missy Magazine« und ist außerdem seit vielen Jahren Mitbetreiberin des Blogs Mädchenmannschaft. Zuletzt hat Shehadeh bei Ullstein das Buch »Anti-Girlboss. Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen« veröffentlicht. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Pop-Richtfest«.

Sehr selten mache ich eine Ausnahme, zum Beispiel dann, wenn ich ahne, dass eine Produktion aus den hiesigen Gefilden außergewöhnliches Fremdscham-Potential hat. Das kommt ungefähr ein- bis zweimal im Jahr vor. In diesem Jahr war es passenderweise dann auch Ostern so weit: RTL beglückte zum zweiten Mal ein Millionenpublikum (dieses Mal auch mich) mit »Die Passion«, einer Mischung aus einem Deutsch-Pop-High-School-Musical und dem Vibe einer Open-Air-Oberstufen-Krippenspiel-Aufführung im niedersächsischen Plattland. Handlungsstrang dazu: Die letzten Stunden von Jesus, gespielt von Sänger Ben – beziehungsweise, an die Wand gespielt von Jimi Blue Ochsenknecht, der als Judas die Rolle seines Lebens spielte. Ochsenknecht, der sich vor ein paar Wochen noch als »unfreiwilliger Erzeuger« seiner einzigen Tochter im Netz blamierte, schien in »Die Passion« komplett in seiner Rolle aufzugehen als Verräterarschloch mit Reue-Tendenzen. Das kam Method Acting schon sehr nahe – inklusive ein paar Tränen, die er bei einem schauerlichen Duett von Falcos »Out oft the Dark« verdrückte.

Sollte es ein zweites Cringe-TV-Highlight für mich in diesem Jahr geben, so weiß ich jetzt schon, dass es nicht der für September angekündigte Boxkampf zwischen Stefan Raab und Regina Halmich sein wird. Dieses Ereignis scheint mir zu elaboriert, zu subversiv, zu entwickelt für das, was in den vergangenen Jahren im deutschen TV ohne Stefan Raab passiert ist. Ja, man kann auf jeden Fall daran erinnern, dass Raab jede Menge Scheiße gebaut hat und vieles von dem, was er so auf die Mattscheibe geschickt hat, superproblematisch war. Und gleichzeitig kommt mir Raab nach Jahren, die man mit Dieter Nuhr, Oliver Pocher und Konsorten verbringen musste, fast schon vor wie ein kleineres Übel, weil neben problematischen Sendeinhalten zumindest noch die ein oder andere witzige Idee abfiel, über die man dann doch auch mitlachen konnte.

Raab gefiel sich natürlich immer schon in der Rolle des Arschlochs – aber gleichzeitig war er auch ein innovativer Fleißarbeiter, der tatsächlich auch mal lustige Einfälle hatte. Er steht für mich für den Typus Mensch, der mir Ende der 90er auf unzähligen Bauernpartys in Ostwestfalen sturzbetrunken und mit einem süffisanten Lächeln gegenüberstand, um mich daran zu erinnern, wer hier der Ehrgeizigere von uns beiden war und die besseren Noten in Mathe hatte (ich war es nicht).

Dementsprechend wird das, was Stefan Raab liefern wird, an mir vorbeirauschen wie die vergangenen sieben bis fünf Jahre TV-Total mit ihm, die ich erfolgreich ignorieren konnte. Ich werde die nächsten zwölf Monate einfach weiter die deutschsprachige TV-Landschaft ignorieren – und mich erst nächstes Ostern wieder blicken lassen. Nämlich dann, wenn (hoffentlich!) wieder »Die Passion« ausgestrahlt wird.

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