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Iran und Israel: Konflikt im Verborgenen

Nach einem Angriff auf die iranische Botschaft sehen sich die Revolutionsgarden des Landes unter Zugzwang

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 5 Min.

Eine Botschaft ist ein besonderes Gebäude: ein Stück Ausland mitten in der Hauptstadt eines anderen Landes, geschützt durch die Wiener Konvention, ein internationaler Vertrag, der vorgibt, dass das Gastland in diesen Mauern nichts zu sagen hat, nicht einmal ohne Zustimmung zu betreten hat.

Am Montag dieser Woche ist nun die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus in den Blick der Weltöffentlichkeit gerückt: Bei einem Luftangriff auf das Konsulat wurden nach Angaben des iranischen Staatsfernsehens sieben Diplomaten und sechs syrische Zivilisten getötet. Unter den Toten: Mohammed Reza Zahedi und Hadi Hadschi Rahimi, zwei hochrangige Kommandeure der Revolutionsgarden.

Nach der islamischen Revolution wurde diese para-militärische Einheit geschaffen, um das neue System gegen Angriffe von innen zu sichern. Doch im Laufe der Jahrzehnte wurde daraus eine mehrere hunderttausend Mann starke, hochgerüstete Truppe, die einen erheblichen Teil der iranischen Wirtschaft kontrolliert, die Maßnahmen zum Bruch der westlichen Sanktionen koordiniert. Und die vor allem eine Vielzahl von militanten Gruppen im Nahen Osten und Nordafrika finanziell und militärisch unterstützt. Die Prominentesten darunter: Die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon und die Houthi-Milizen im Jemen, also jene drei Organisationen, die derzeit direkt an den Entwicklungen rund um Israel beteiligt sind.

Bereits seit Langem wurden Zahedi und Rahimi unmittelbar mit der Kuds-Einheit in Verbindung gebracht, einer geheimdienstähnlichen Abteilung innerhalb der Revolutionsgarden, die für den iranischen Schattenkrieg in der weiteren Region zuständig ist. Wer für den Angriff auf das Konsulat verantwortlich ist, wurde bislang nicht eindeutig bestätigt. Die USA weisen jede Beteiligung oder auch nur Kenntnis weit von sich; wer mehr wissen wolle, »wird die Israelis fragen müssen«, sagte die stellvertretende Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums, Sabrina Singh. Israels Militär und Regierung indes teilen mit, man habe keinen Kommentar abzugeben.

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Wahrscheinlicher Grund für die ungewöhnlich deutlichen Worte aus Washington: Botschaften sind eben Ausland im Inland; werden sie angegriffen, ist das gleichbedeutend mit einem Angriff auf ein Ziel im entsprechenden Land selbst, kann gar als Kriegserklärung aufgefasst werden.

Bislang spielte sich der Konflikt zwischen Israel und dem Iran im Verborgenen ab: über Stellvertreter wie Hisbollah, Hamas und Houthi, die eigentlich Ansar Allah heißen. Oder durch vereinzelten Angriffe oder Anschläge auf Militärkonvois, Mitarbeiter des iranischen Atomprogramms oder eben hochrangige Vertreter der Revolutionsgarden. Danach wird dann stets öffentlich Rache geschworen. Wirklich sichtbar wurde diese aber bislang nie.

Doch nun wurde erstmals ein Ziel der iranischen Regierung selbst getroffen und das setzt die Führung der Revolutionsgarden unter starken Zugzwang. Und zeigt gleichzeitig, wie beschränkt die iranischen Optionen sind. Einen direkten Krieg mit Israel versuchte man bislang zu vermeiden, und das auch, weil man sich längst nicht mehr sicher sein kann, dass Israel in einem solchen Krieg alleine kämpfen würde: Längst hat man im Hintergrund strategische Kontakte zu Saudi-Arabien geknüpft, obwohl beide Staaten noch keine offiziellen diplomatischen Beziehungen aufgenommen haben. Und die militanten Organisationen die man unterstützt, sind so gut wie immer tief in den Kontext ihrer Heimatländer eingebettet: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich beispielsweise die Hisbollah in einen Krieg mit Israel begeben würde, nur um den Revolutionsgarden zu gefallen.

So gut wie überall im Nahen Osten halten sich die arabischen Regierungen auch mit einer Verurteilung des Angriffs zurück. Man schaue gerade eher mal genauer hin, wen die Iraner eigentlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten stationiert haben, sagt ein Vertreter des dortigen Außenministeriums. Denn die VAE führten im Jemen mehrere Jahre lang Krieg gegen die Houthi-Miliz, wurden deshalb auch schon zum Ziel von Raketenangriffen. Vielerorts wird nun befürchtet, dass der Iran unter diplomatischem Cover eine schlagkräftige Militärpräsenz im eigenen Land aufgebaut haben.

Doch auch die syrische Regierung steht jetzt wieder stärker unter Beobachtung. Vor fast einem Jahr durfte Präsident Baschar al Assad wieder an einem Gipfel der Arabischen Liga teilnehmen. Die Hoffnung dahinter war, dass er sich dadurch wieder in das Gefüge der Region einbindet, mehr dafür tut, um Flüchtlingsströme zu verhindern und auch: den florienden Drogenschmuggel aus Syrien in die Nachbarländer.

Nun jedoch zeigt sich, dass Assad es zugelassen hat, dass eine Botschaft für militärische Zwecke genutzt wird. Denn zu den Aufgaben der beiden Kommandeure gehörte längst nicht nur der Kampf gegen Israel. Bekannt ist, dass die Kuds-Einheit von Damaskus aus auch die Aktivitäten der vielen Iran-nahen Milizen im Irak unterstützt, die die dortige Sicherheitslage extrem prekär machen. Auch die Kontakte zur Hisbollah dürften von Syrien aus gepflegt werden. Und die Hisbollah verhindert als Staat-im-Staat auch, dass im Libanon ein funktionierendes Staatswesen existiert.

In Israel ist die Verunsicherung nun groß: Zwar betont das Militär, das man weder Vorräte anlegen noch sonst Vorkehrungen treffen müsse. Aber im Norden des Landes gibt es trotzdem Hamsterkäufe.

Und im Iran war die öffentliche Reaktion auf den Angriff verhalten: Es gab keine spontanen Massenproteste und auch sonst nichts, was darauf hindeutet, dass die öffentliche Meinung nun einen Krieg fordert. Denn ein Großteil der Öffentlichkeit hat sich von Regierung und Revolutionsgarden entfremdet. Die Garden waren es maßgeblich, die die Massenproteste für mehr persönliche Freiheiten niederschlugen und sie sind es, die dafür sorgen, dass ein ungeliebtes Regime an der Macht bleibt.

Der Angriff hat nun alles noch etwas unsicherer gemacht und nichts gelöst: Es ist davon auszugehen, dass die beiden Kommandeure bald ersetzt werden.

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