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Neues Berliner Schulgesetz: Kein Weitsprung
Statt einer umfassenden Schulreform präsentiert der Senat ein überschaubares Maßnahmenpaket
Hurra, die Schule brennt: Die Pressekonferenz zum neuen Schulgesetz startete mit einer Dreiviertelstunde Verspätung. Der Grund: ein Feueralarm, dessentwegen die gesamte Senatsbildungsverwaltung geräumt werden musste. Verkraftbar war die Verzögerung durchaus, denn viel zu sagen hatte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) den versammelten Journalisten nicht.
Die Eckpunkte der Schulgesetznovelle sind bereits seit längerem bekannt: Kinder, bei denen anderthalb Jahre vor Einschulung ein Sprachdefizit festgestellt wird, sollen künftig zu einem Sprachförderungsangebot verpflichtet werden. Eine solche Regelung exisitiert bereits, wird allerdings kaum durchgesetzt. Alle Kinder erhalten zudem künftig ab dem dritten Lebensjahr einen sogenannten Willkommensgutschein, der in allen Kitas einlösbar sein soll. »Das Ziel ist, die Kinder so früh wie möglich in die Kita zu bekommen«, so Günther-Wünsch.
Auch Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen, sollen künftig verpflichtet werden: Falls sie keine Ausbildung machen, müssen sie nochmals die Schulbank drücken. In diesem elften Pflichtschuljahr sollen sie dann mit einem speziell abgestimmten Curriculum dabei unterstützt werden, sich beruflich zu orientieren. »Oberstes Ziel ist der Übergang in die duale Ausbildung«, sagte Günther-Wünsch. Daher soll es Pflichtpraktika und Berufsberatung geben. Ein Großteil des Lehrplans werde darauf gerichtet sein, die häufig schulfernen Jugendlichen »ausbildungsfähig« zu machen, so Günther-Wünsch. Bei Interesse sollen die Jugendlichen aber auch in einen Zweig wechseln können, der zu einem schulichen Abschluss führt.
Die Schulgesetznovelle wurde bereits im Senat beschlossen, im Abgeordnetenhaus soll jetzt schnellstmöglich der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen werden. Die meisten Maßnahmen sollen 2025 erstmals umgesetzt werden. Dabei sind noch nicht alle Konzepte ausgereift. Auf Fragen von Journalisten danach, wie die angekündigten Maßnahmen verwirklicht werden sollen, verwies Günther-Wünsch immer wieder auf »laufende Gespräche« – variierend zu »intensiven Gesprächen«.
Beim verpflichtenden Kita-Jahr für Kinder mit Sprachdefiziten etwa liegen die Probleme weniger in der Gesetzesgrundlage als in der Umsetzung. Verpflichtend ist die Sprachförderung bereits, aber nur die Hälfte der betroffenen Kinder erscheint überhaupt zu dem Sprachtest, mit dem Defizite festgestellt werden sollen. Ein großer Teil der Kinder, bei denen größere Sprachprobleme ermittelt wurden, nehmen an dem eigentlich verpflichtenden Förderangebot schlicht nicht teil.
Wie dieses Problem gelöst werden soll, konnte Günther-Wünsch nicht beantworten. Sie verwies aber darauf, dass man an Lösungen arbeite. Man wolle analysieren, aus welchen Millieus die Totalverweigerer stammten, und mit den Schulämtern, die die Spracheignungstests vornehmen, nach einer besseren Ansprache suchen. Einen konkreten Ansatz konnte Günther-Wünsch dann doch noch finden: »Wenn es Widerstände gibt, sind wir bereit, mit Ordnungsgeldern zu arbeiten.«
Klärungsbedarf gibt es auch noch bei der Verteilung der zusätzlichen Schüler, die durch das elfte Pflichtschuljahr wieder schulpflichtig werden. Hier stellte Günther-Wünsch einen Verteilmechanismus in Aussicht, der verhindern soll, das einzelne Schulen überlastet werden. Hierfür würden bestimmte Schulen zu »Ankerschulen« erklärt, die dann besondere Unterstützung erhalten.
Viele Konservative werden darüber enttäuscht sein, in welcher Form sich die Forderung nach einem Schulfach Religion im Gesetzestext wiederfindet. Statt als reguläres Schulfach soll »Reli« zunächst als Wahlpflichtfach ab der siebten Klasse kommen. »Wir halten am Koalitionsziel fest«, sagte Günther-Wünsch. Für eine reguläre Einführung habe man aber nicht die Zeit, daher bleibe es bei »ersten Pflöcken«. Die CDU könnte wohl auch überschätzt haben, wie groß die Nachfrage unter der größtenteils konfessionslosen Schülerschaft ist. Eine Interessensabfrage soll nun den Bedarf klären.
Für die CDU-Basis dürfte der Entwurf wohl insgesamt hinter den Erwartungen bleiben. Geworben hatten die Christdemokraten im Wahlkampf mit einer großen Strukturreform nach Jahrzehnten sozialdemokratisch geprägter Bildungspolitik. Die bleibt nun aus, dafür kommt ein überschaubares Maßnahmenpaket, das zu einem beträchtlichen Teil Initiativen aufgreift, die schon unter Rot-Grün-Rot diskutiert wurden.
Günther-Wünsch ist trotzdem zufrieden. »Ich springe so weit, wie ich will«, sagte sie. Angesichts der Herausforderungen an den Berliner Schulen für viele Eltern wohl zu kurz.
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