Knochenjob in der Fleischindustrie

Gewerkschaften fordern europaweite Mindeststandards nach deutschem Vorbild

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind hart«, sagte Kristjan Bragason, Generalsekretär des europäischen Gewerkschaftsdachverbands für Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Tourismus (Effat) am Dienstag. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Nahrungsmittel Genuss Gaststätten (NGG) stellte er auf einer Pressekonferenz die Forderung nach EU-weiten Mindeststandards in der Branche vor.

Vielfach rekrutieren europäische Fleischkonzerne über private Agenturen in Osteuropa und zunehmend in Drittstaaten Arbeitskräfte, die dann unter prekären Bedingungen arbeiten. »Sie holen Beschäftigte aus Belarus, der Ukraine oder von weiter weg wie die Philippinen«, sagte Bragason. So würden auch bestehende Arbeitsbedingungen unterlaufen.

Um dem zu begegnen, fordert der europäische Gewerkschaftsverband zur anstehenden Europawahl eine EU-Richtlinie, die einheitliche Mindeststandards für die Branche festlegen soll. »Denn das Problem lässt sich auf nationaler Ebene nicht mehr lösen«, betonte Bragason.

Die neue Richtlinie soll dabei dem deutschen Arbeitsschutzkontrollgesetz aus dem Jahr 2021 nachgebildet sein. Das hatte die Bundesregierung auch als Reaktion auf die desolaten Bedingungen für die überwiegend migrantischen Arbeiter*innen in den deutschen Schlachthöfen, etwa des Konzerns Tönnies, auf den Weg gebracht.

Seitdem gelten strengere Vorschriften unter anderem bei der Arbeitszeiterfassung sowie ein Verbot von Werkverträgen und die Beschäftigung von Solo-Selbstständigen in der Fleischindustrie. Mit Ausnahme des Fleischerhandwerks wurde auch die Leiharbeit eingeschränkt.

Das sorgte für spürbare Verbesserungen. Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Evaluation, die im Februar vorgestellt wurde, betont den Erfolg: Es seien »vielfältige positive Entwicklungen in der Fleischwirtschaft angestoßen«, heißt es in dem Bericht. Viele der ehemaligen Leih- und Werkvertragsarbeiter*innen seien aufgrund des Gesetzes direkt eingestellt worden.

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Und bereits wenige Monate nach Inkrafttreten gelang es der NGG, mit einzelnen Unternehmen Mindestlohntarifverträge abzuschließen, erklärte NGG-Vorsitzender Guido Zeitler am Dienstag. Noch im selben Jahr wurde es vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt. »Das Gesetz hat das System der Unverantwortlichkeit mit schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen beendet«, lobte Zeitler die Regelung.

Dass das Arbeitsschutzgesetz Verbesserungen gebracht hat, sieht auch der Soziologe Peter Birke so. Er forscht an der Universität Göttingen zu Arbeitsbedingungen in der Branche. Doch als Vorbild könne die Branche in Deutschland keineswegs dienen. »Bis heute gibt es keine Regelungen, die die Arbeitsbedingungen verbessern, etwa beim Recht auf Urlaub oder beim Schutz vor gesundheitsschädlichen Bedingungen«, erklärte er im Gespräch mit »nd«. Die Arbeit sei weiterhin extrem hart.

Verbesserungen ließen sich nur erzielen, wenn die Gewerkschaften stärker werden. Die aber haben in der Branche einen schweren Stand. Die Tarifbindung ist schwindend gering. Und weil die NGG in der prekären Branche mit hoher Fluktuation nur schwer Fuß fassen kann, konzentriert sie sich auf den Abschluss von Unternehmenstarifverträgen. Doch viele Unternehmen wie Tönnies verweigern dies.

Zudem gibt es bei der Durchsetzung des bereits geltenden Arbeitsschutzgesetzes große Lücken, auch weil es keine bundeseinheitliche Aufsicht gibt. »Und teilweise wurden Personalschlüssel reduziert, um die Landeshaushalte zu entlasten«, kritisierte NGG-Chef Zeitler auf nd-Nachfrage.

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