- Politik
- Regionalwahl im Baskenland
»Wir sind im Territorium verankert«
Elena Beloki über den Erfolg des Linksbündnisses EH Bildu bei den Wahlen im Baskenland
Fast überall in Europa ist die Linke in der Krise. Ihr Wahlbündnis EH Bildu hat deutlich an Stimmen zugelegt und bei den Autonomiewahlen knapp 33 Prozent der Stimmen erreicht. Was macht die baskische Linke anders?
Wir haben sicherlich kein Rezept anzubieten. Aber charakteristisch für die baskische Linke ist, dass sie im Territorium verankert ist. Wir sind in sozialen Bewegungen, Kulturzentren und Gewerkschaften aktiv und stellen in 150 Gemeinden den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin – mehr als jede andere Partei im Baskenland. Außerdem sind wir ein plurales Parteienbündnis, dessen Mindestforderungen von einem großen Teil der gesellschaftlichen Linken geteilt werden: die Verteidigung von öffentlichem Gesundheitswesen und Wohnungsbau, eine aktive Industriepolitik, die Förderung lokaler Strukturen und Genossenschaften. Und schließlich fordern wir die Anerkennung des baskischen Selbstbestimmungsrechts.
Elena Beloki, Jahrgang 1961, ist Aktivistin der feministischen Bewegung und saß als Mitglied der baskischen Unabhängigkeitslinken fast zehn Jahre im Gefängnis. In der sozialistischen Unabhängigkeitspartei Sortu, der wichtigsten Kraft im Linksbündnis EH Bildu, ist sie verantwortlich für internationale Beziehungen.
EH Bildu ist das Ergebnis eines Strategiewechsels. 2011 schwor die ETA dem bewaffneten Kampf ab, seitdem setzt die Linke ausschließlich auf Wahlen und legale politische Arbeit. Manche Kritiker*innen sagen, Sie hätten Ihren Erfolg damit erkauft, dass sie auf radikalere Ziele verzichten.
Die baskische Gesellschaft hat sich verändert. Sie ist heute viel weniger radikalisiert als in den 80er Jahren. Aber unser politisches Projekt beruht weiter auf einem Bündnis mit sozialen Bewegungen. Uns ist klar, dass man ohne sie in Institutionen nichts bewegen kann. Mit unserer Strategie wollen wir gesellschaftliche Mehrheiten verändern und eine neue Hegemonie schaffen. Das gelingt nicht allein durch Wahlerfolge, aber eben auch nicht ohne diese.
Nach den Wahlen vom 21. April bleibt in der Autonomiegemeinschaft erst mal alles beim Alten: Die baskisch-christdemokratische PNV wird mit der spanisch-sozialdemokratischen PSOE regieren.
Die gesellschaftlichen Mehrheiten verschieben sich. Das baskische Parlament war noch nie so links, und es gab noch nie eine so große Mehrheit für das Selbstbestimmungsrecht. EH Bildu hat bei allen Bevölkerungsgruppen unter 50 gewonnen. Auch wenn die PNV weiter die Regierung stellt, kann sie nicht daran vorbeiregieren.
Die spanische Verfassung begrenzt die Spielräume der Autonomieregierung. Welche Veränderungen sind überhaupt möglich?
Die Autonomieregierung ist für das Gesundheitswesen zuständig, und hier ist die Versorgung spürbar schlechter geworden – auch deshalb, weil die PNV das Gesundheitssystem nutzt, um die eigenen Leute mit Posten zu versorgen. Außerdem gestaltet die Autonomieregierung die Wohnungsbau-, Pflege- und Polizeipolitik. Und schließlich könnten wir die ökologische Transformation beschleunigen. Es gibt also durchaus Spielräume für eine alternative Politik.
In Spanien entstanden nach den Sozialprotesten ab 2011 neue Linksparteien wie Podemos. Inzwischen ist das Land wieder weit nach rechts gerückt. Das alte Zweiparteiensystem ist gefestigt, die konservative PP liegt bei Umfragen vorn. Was bedeutet das für das Baskenland? Und wie ist das Panorama für die Linkspartei EH Bildu, der von den Konservativen ja immer wieder mit einem Parteienverbot gedroht wird?
Wir nutzen die Möglichkeiten, die sich ergeben. Aus diesem Grund stützen wir in Madrid die PSOE. Wenn die PP an die Regierung zurückkehrt oder sogar mit der ultrarechten Vox koaliert, dann werden sich die Lebensbedingungen für die Bask*innen, aber auch für die einfachen Leute in Spanien dramatisch verschlechtern. Deshalb ist für uns völlig klar, dass wir mit unseren Abgeordneten in Madrid alles tun werden, um eine Rechtsregierung zu verhindern.
Podemos erzielte vor einigen Jahren bei den spanischen Wahlen um die 30 Prozent im Baskenland. Jetzt hat die spanische Linke nur noch einen Abgeordneten im Autonomieparlament. Haben Sie eine Erklärung dafür, was passiert ist?
Ich will es andersrum ausdrücken: Die baskische Linke hat ihre Politik nicht auf der Grundlage von Fernsehnachrichten und Talkshows gestaltet. Sie organisiert sich in kleinen Gemeinden und Stadtteilen. Die Leute wissen, wofür EH Bildu steht und dass für uns die Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse wichtiger ist als der Erfolg der eigenen Partei. Ich glaube, dass dieser Ansatz der Schlüssel für den Erfolg von EH Bildu ist.
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