Strategischer Spielraum für Iran

Iran sucht in Pakistan einen Partner für seine außenpolitische Orientierung Richtung Osten

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi (l.) zusammen mit dem pakistanischen Premierminister Schehbaz Scharif in Islamabad
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi (l.) zusammen mit dem pakistanischen Premierminister Schehbaz Scharif in Islamabad

Im Januar haben sich beide Seiten noch mit Raketen und Drohnen beschossen, jetzt nahmen sich die Regierungen Irans und Pakistan drei Tage Zeit für eine Wiederannäherung – und vereinbarten verschiedene Kooperationsabkommen. Regierungsvertreter beider Länder unterzeichneten am Montag insgesamt acht Absichtserklärungen. Kooperationen wurden unter anderem in den Bereichen der Sicherheit, Wirtschaft, Kultur und Justiz vereinbart, wie es im pakistanischen Staatsfernsehen hieß.

Beide Länder haben Großes vor: Das Handelsvolumen soll auf zehn Milliarden US-Dollar gesteigert werden. Mit einem Anteil von 4,2 Prozent an den Gesamtexporten im vergangenen Jahr ist Pakistan inzwischen zum sechstgrößten Exportziel des Iran aufgestiegen. Den verfügbaren Statistiken zufolge stieg der iranisch-pakistanische Handel von 1,5 Milliarden Dollar im Jahr 2022 auf über zwei Milliarden im vergangenen Jahr – ein Zuwachs von 38 Prozent beim Wert und 23 Prozent beim Volumen.

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In einer gemeinsamen Erklärung vom Mittwoch verständigten sich die Regierungen in Teheran und Islamabad darauf, »das Freihandelsabkommen zügig zum Abschluss zu bringen«. Pakistan und Iran vereinbarten außerdem, einen regelmäßigen Austausch von Wirtschafts- und Technikexperten sowie von Delegationen der Handelskammern beider Länder, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu intensivieren.

Im vergangenen Monat hatte Irans Botschafter in Pakistan, Reza Amiri Moghadam, erklärt, dass das Freihandelsabkommen den gegenseitigen Handel steigern würde, und die Notwendigkeit von weiteren Luft-, See- und Landverbindungen hervorgehoben. Die Grenze zwischen den beiden Ländern ist jedoch eines der Haupthindernisse, denn sie zieht sich über 900 Kilometer quer durch die Großregion Belutschistan auf beiden Seiten der Grenze. Die Belutschen streben die Unabhängigkeit oder zumindest eine Autonomie an und werden als ethnische Minderheit in beiden Ländern systematisch diskriminiert. Von den im Iran zum Tode Verurteilten gehört eine signifikant hohe Zahl den Belutschen an.

Sowohl das iranische Regime als auch die pakistanische Regierung bekämpfen militante Separatistengruppen, die im jeweils anderen Land Zuflucht suchen. Im Januar beschoss der Iran grenznahe Gebiete mit Raketen, angeblich um mutmaßliche Terroristen zu treffen; Pakistan antworte mit Beschuss auf iranisches Territorium – selbstredend im Kampf gegen »Terroristen«. Die diplomatischen Verstimmungen wurden aber recht schnell aus dem Weg geräumt. Der Besuch Raisis in Pakistan soll ein neues Kapitel in den Beziehungen eröffnen. Er verschafft dem Iran strategischen Spielraum an seiner Ostflanke, nachdem im Westen der jüngste Schlagabtausch mit Israel das Risiko einer ernsthaften Eskalation heraufbeschworen hat.

Irans Präsident Raisi ließ es sich jedoch auch in Pakistan nicht nehmen, Israel zum wiederholten Mal mit Vernichtung zu drohen. Beide Seiten hatten sich zu Beginn des Staatsbesuchs auf die Schulter geklopft für ihre klare Haltung an der Seite der Palästinenser im Gaza-Krieg; ein rhetorisches Spiel, von dem sich Raisi offenbar durch starke Worte abheben wollte.

Die Entwicklungspläne zwischen Teheran und Islamabad könnten jedoch auf Widerstand stoßen. Auf Nachfrage eines Journalisten zu den zwischen Iran und Pakistan beschlossenen Abkommen äußerte sich das US-Außenministerium mit einer kaum verdeckten Warnung an die Regierung in Islamabad: »Jedem, der Geschäfte mit dem Iran in Erwägung zieht«, rieten die USA, »sich des potenziellen Risikos von Sanktionen bewusst zu sein«, sagte der stellvertretende Hauptsprecher des Ministeriums, Vedant Patel. Auf dem Spiel steht insbesondere eine Gaspipeline vom Iran nach Pakistan, die auf iranischer Seite bereits fertiggestellt ist. Die Regierung in Islamabad fürchtet jedoch US-Sanktionen, während die Iraner den Pakistanern mit einer Vertragsstrafe drohen.

Das andere große Kooperationsprojekt betrifft in den Worten Irans und Pakistans die Terrorismusbekämpfung, das heißt die gemeinsame Unterdrückung jeglicher Autonomiebestrebungen der Belutschen. Dafür ist mutmaßlich auch Irans Innenminister Ahmad Wahidi nach Pakistan mitgereist. Pikanterweise wird er seit Mittwoch von der argentinischen Justiz per internationalem Haftbefehl gesucht. Er soll mitverantwortlich sein für einen Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum 1994 in Buenos Aires, bei dem 85 Menschen getötet wurden. Wahidi besuche derzeit als Teil einer iranischen Delegation Pakistan und Sri Lanka (wohin die Delegation weiterreist), erklärte das argentinische Außenministerium weiter.

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