»Schoigus Mann« in Ungnade gefallen

Die Festnahme von Russlands Vizeverteidigungsminister Timur Iwanow wirft Fragen auf

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 4 Min.

Offiziell geht es um Bestechung in besonders großem Umfang, heißt es von den Ermittlern. Timur Iwanow, einer der zwölf russischen Vizeverteidigungsminister, soll mindestens eine Million Rubel (10 000 Euro) angenommen haben. Dafür drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft. Am 23. April schlug der Inlandsgeheimdienst FSB am späten Abend zu, verhaftete Iwanow in seinem Büro, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Der 48-jährige Ökonom ist seit 2016 Vizeverteidigungsminister und dort vor allem für Bauvorhaben zuständig. Bekannt wurde Iwanow, weil er für den militärischen Freizeitpark »Park Patriot« und die Hauptkirche der Armee verantwortlich war. Auch der Wiederaufbau der in den ersten Monaten des Ukraine-Kriegs stark zerstörten Hafenstadt Mariupol fiel in seine Zuständigkeit.

Ein Fall mit vielen Ungereimtheiten

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Mit Iwanow wurden zwei weitere Männer verhaftet, die Gelder zahlten und ein Schema von Scheindienstleistungen aufgebaut haben sollen. Soweit scheint der Fall normal zu sein. Doch bereits jetzt gibt es viele Fragen und Ungereimtheiten, die darauf hindeuten, dass es möglicherweise um etwas anderes als Bestechung geht.

Dass russische Beamte Geld annehmen, gehört zum Alltag. Nötig hatte Iwanow, der öffentlich ein Luxusleben führt und dank seiner Firmen monatlich 150 Millionen Rubel (1,5 Millionen Euro) einnehmen soll, das Geld nicht. Zumal die kolportierte Summe von einer Million Rubel in jeglicher Sicht Peanuts sein dürften. Erst vor zwei Wochen wurde ein Mitarbeiter des Innenministeriums festgenommen, der von einer Kryptobörse fünf Milliarden Rubel (50 Millionen Euro) erhalten haben soll. Am Mittwoch wurde die frühere Vizekulturministerin Olga Jarilowa zu sieben Jahren verurteilt, weil sie bei einem Projekt 200 Millionen Rubel (zwei Millionen Euro) gestohlen haben soll.

Verhaftung überraschend geräuschlos

Der Politikwissenschaftler Andrej Perzew wundert sich zudem über die geräuschlose Verhaftung. Bei einer solch wichtigen Person veröffentlichen die Behörden in der Regel ein Festnahmevideo, in dem das gestohlene Geld aus einem Safe oder einer Sporttasche hervorgeholt und präsentiert wird.

Im Fall Iwanow gab es hingegen nur eine kurze Meldung, was Gerüchte schürt, die Verhaftung habe einen ganz anderen Hintergrund. Bereits am Dienstag preschte das Portal Waschnyje istorii vor und sprach von einer Untersuchung wegen Hochverrats, ohne dafür Beweise oder wenigstens Hinweise zu liefern.

Behörden waren schon länger hinter Iwanow her

Fest steht: Timur Iwanow war schon länger im Visier von Untersuchungen. Nach Kriegsbeginn hatte das Team des kürzlich verstorbenen Alexej Nawalny Korruptionsvorwürfe geäußert und Ende 2022 eine Recherche veröffentlicht. Verschiedene Medien berichten, dass Iwanow seit mindestens zwei Jahren abgehört wurde.

Aktuell kursieren in Russland zwei Versionen, warum der Vizeverteidigungsminister ausgerechnet jetzt von seinem Posten entfernt wurde. Eine davon bringt das Vorgehen der Sicherheitskräfte mit der offiziellen Vereidigung Wladimir Putins für seine fünfte Amtszeit als Präsident am 7. Mai in Verbindung. In vielen Bereichen dürfte es bald personelle Neuerungen geben. Selbst Iwanow, der mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu, aktuell bei Putin sehr hoch im Kurs steht, ein freundschaftliches Verhältnis pflegt und als »sein Mann« im Regierungsapparat gilt, scheint vor Machtspielen im Apparat und persönlichen Attacken nicht mehr sicher zu sein. Schoigu soll über die Verhaftung vorab informiert gewesen sein, hat sich bisher jedoch noch nicht geäußert.

Vizeminister Opfer von Machtspielen?

Dafür spricht, dass die belastenden Materialien direkt in der Präsidialverwaltung zusammengetragen wurden. Und zwar von einer Abteilung, die erst seit März von Boris Kowaltschuk, Sohn des Putin-Vertrauten und »zweiten Mann im Staat« Jurij Kowaltschuk, geleitet wird, schreibt die Tageszeitung »Kommersant«. Möglicherweise wollte sich Kowaltschuk junior mit der Festnahme profilieren und seine Stellung im Machtapparat festigen.

Iwanow, der vor dem Moskauer Basmanny-Gericht auf unschuldig plädierte, wurde zunächst für zwei Monate in Untersuchungshaft genommen.

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