Betriebsräte im Visier?

Die Firma des Arbeitgeberpräsidenten sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert

Kämpfen für betriebliche Mitbestimmung: Warnstreik der IG Metall im Jahr 2023 bei Prominent in Heidelberg.
Kämpfen für betriebliche Mitbestimmung: Warnstreik der IG Metall im Jahr 2023 bei Prominent in Heidelberg.

Stress, Schlafstörungen, Angstzustände – das ist für Betriebsräte Alltag, wenn sie zur Zielscheibe ihrer Chefs werden. Mit fadenscheinigen Vorwürfen und zermürbenden Rechtsstreitigkeiten gehen Unternehmen gegen unliebsame Beschäftigte vor, die sich für die Interessen ihrer Kolleg*innen einsetzen, und sitzen oft am längeren Hebel.

So soll es auch im Fall des mittelständischen Unternehmens Prominent in Heidelberg gewesen sein, das anteilig im Besitz des Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger ist. Das wirft zumindest Wolfgang Alles vom Komitee »Solidarität gegen Betriebsrats-Mobbing« dem Betrieb vor. Zusammen mit der Initiative Work Watch und der Anlaufstelle Union Busting der IG Metall ist er seit über zwei Jahren mit dem Fall beschäftigt. Am Wochenende haben die Initiativen einen offenen Brief mit Tausenden Unterschriften an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil übergeben. Der SPD-Politiker versprach, sich der Sache anzunehmen.

Die Vorwürfe wiegen schwer. Die Geschäftsleitung soll laut dem Komitee systematisch gegen Mitbestimmungsstrukturen im Betrieb vorgegangen sein. Ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender sei ins Visier geraten und schließlich entlassen worden, weil er Überlegungen kritisiert hatte, Teile der Produktion ins Ausland auszulagern, schreibt die Initiative Work Watch in einer Stellungnahme. Laut Unternehmensklage soll er gegen die Datenschutzgrundverordnung im Betrieb verstoßen haben, weil er eine private E-Mail-Adresse für die Betriebsratsarbeit genutzt habe.

Auf nd-Anfrage will sich das Unternehmen zum konkreten Sachverhalt nicht äußern. »Generell arbeiten wir mit dem Betriebsrat sehr konstruktiv und zum Wohl unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen«, heißt es in einer Mitteilung.

Doch auch andere Betriebsräte sollen durch das Unternehmen angegangen worden sein, darunter die Schwerbehindertenvertretung, wie es von Work Watch heißt. Von ehemals zwölf Betriebsräten sollen nur noch drei aktiv sein. Und für den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden folgte ein über Jahre dauernder Rechtsstreit mit schwerwiegenden psychischen Belastungen.

In solchen Fälle ist es für die Betroffenen oft aussichtslos, juristisch gegen die Unternehmen vorzugehen. Diese können sich teure Anwaltskanzleien leisten, die auf sogenanntes Union Busting spezialisiert sind. Es geht immerhin um viel Geld: Funktionierende Betriebsräte und gewerkschaftliche Mitbestimmung sorgen für durchschnittlich höhere Löhne, eine geringere Arbeitsdichte und mehr Urlaub, wie aus aktuellen Erhebungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht.

Zwar gelten die Behinderung von Betriebsratsarbeit oder die Verhinderung von Betriebsratswahlen als strafbar. Doch die Hürden für eine Verurteilung sind hoch. Darum hat die Ampel-Regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen, das Vergehen zu einem »Offizialdelikt« zu machen. Dann muss die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ermitteln – auch nach anonymen Hinweisen. Zudem wird gefordert, dass die Regierung eigene Schwerpunktstaatsanwaltschaften installiert.

Hubertus Heil bekräftigte das Vorhaben am Wochenende. Zudem versprach er, das Gespräch mit der Unternehmensleitung von Prominent zu suchen, wie das Bundesarbeitsministerium auf nd-Nachfrage bestätigt. Dabei habe Heil aber auf die Schwierigkeiten in der Ampel hingewiesen, sagt Alles vom Komitee gegen BR-Mobbing.

Auch hier scheint die FDP sich mit Unterstützung der Unternehmensverbände gegen das Koalitionsvorhaben zu stellen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, deren Vorsitz Dulger innehat, betont, keinen gesetzlichen Regelungsbedarf mit Blick auf den Schutz von Betriebsräten zu sehen.

Das Problem drängt, findet Alles. »Die Angriffe werden immer massiver«, betont er. »Vom Autohof in Mannheim über mittelständische Firmen wie Prominent zu mächtigen multinationalen Konzernen wie Tesla taucht das Phänomen überall auf.«

Doch nicht nur eine Gesetzesänderung wäre nötig, ist der ehemalige Betriebsratsvorsitzende von Prominent überzeugt. Er fordert mehr gewerkschaftliche Solidarität und wirft seiner Gewerkschaft vor, ihn nicht genug unterstützt zu haben. »Man hört viele kämpferische Reden und Worte, aber nie von denen, die tatsächlich handeln könnten«, kritisiert er. »Betriebsratsvernichtung geht noch die nächsten 50 Jahre weiter, da die Gewerkschaften – diejenigen, die das Potenzial hätten, dies zu stoppen – dies nicht wollen«, erklärt er sichtlich resigniert.

Und tatsächlich: Union-Busting-Strategien werden schon lange angewendet, doch erst seit wenigen Jahren findet das Thema eine breitere Öffentlichkeit. Auf den jüngsten Gewerkschaftstagen von Verdi und IG Metall stand es dank mehrerer Anträge auf der Tagesordnung. Und die Metallgewerkschaft hat eine eigene Anlaufstelle gegründet, die sich damit befasst. »Das ist ein großer Fortschritt«, sagt Wolfgang Alles im Gespräch mit »nd«. Aber bei einer derart großen Organisation dauere es, bis eine Kursänderung vollzogen sei. »Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.«

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