Aktionstage gegen Tesla in Grünheide: Raus aus dem System Auto

Die Bewegung Disrupt möchte den Ausbau der Teslafabrik in Grünheide stoppen und ruft zu Aktionstagen vom 8. bis 12. Mai auf

  • Interview: Lola Zeller
  • Lesedauer: 8 Min.

Diese Woche finden ein Protestcamp und Aktionstage in Grünheide gegen den US-amerikanischen Elektroauto-Hersteller Tesla statt. Wer ist Disrupt Tesla und was möchten Sie erreichen?

Disrupt ist eine Bewegung, der sich alle Gruppen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung anschließen können, die gegen den fossilen Kapitalismus sind und für die Fürsorge um unsere Erde und unser Zuhause. Wir sind aus verschiedenen sozialen Kämpfen, und uns eint die Fürsorge um Menschen, um Gemeinschaften, um die Umwelt, um Wasser und Wälder. Die Disrupt-Bewegung manifestiert sich jetzt gerade in Disrupt Tesla. Deshalb rufen wir zu den Aktionstagen vom 8. bis zum 12. Mai in Grünheide und Berlin auf. Wir empfehlen, schon am Mittwoch ins Wald-Wasser-Gerechtigkeitscamp des Bündnisses »Tesla den Hahn abdrehen« auf der Festwiese Grünheide zu kommen und sich dort zu vernetzen.

Sie sprechen von »fossilem Kapitalismus«. Gibt es denn einen nicht fossilen Kapitalismus?

Disrupt steht für einen Systemwechsel. Die Bewahrung unserer Lebensgrundlage kann im System Kapitalismus nicht funktionieren. Dementsprechend wollen wir gemeinsam den Mut haben, für eine Neugestaltung unserer Gesellschaft einzustehen, in der wir uns umeinander und um unsere Umwelt kümmern.

Disrupt heißt auf Deutsch stören oder unterbrechen. Warum dieser Name?

Es geht um Unterbrechungen im kapitalistischen System, indem kleine Revolutionen stattfinden und bestimmte Punkte kreativ neu gestaltet werden. Es geht nicht nur um Tesla, sondern um das System Auto insgesamt. Durch unser Zusammenkommen im Camp schaffen wir utopische Momente, mit denen wir zeigen können, was wir neu erschaffen wollen. Wir wollen dieses Werk kreativ neu gestalten. Ob dort dann Busse, Krankenwagen oder Lastenräder gebaut werden, müssen wir gemeinsam entscheiden. Aber ganz klar ist, dass wir für eine soziale Verkehrswende stehen, für einen Ausbau von öffentlichem Nah- und Fernverkehr sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Und das zeigen wir jetzt hier in Grünheide.

Das Camp selbst wird organisiert von »Tesla den Hahn abdrehen«. Außerdem ist seit Ende Februar ein Waldstück besetzt, um gegen die geplante Erweiterung der Autofabrik zu protestieren. Wie stehen Sie alle zueinander?

»Tesla den Hahn abdrehen« ist ein Bündnis aus den örtlichen Initiativen wie der Bürgerinitiative Grünheide, wo die Leute vor Ort seit Langem schon involviert sind. Bei der Waldbesetzung handelt es sich um einen weiteren Akteur, der sich gegen Tesla stellt. Wir wollen alle raus aus diesem festgefahrenen System Auto. Unser gemeinsames Ziel ist es, den Ausbau der Fabrik aufzuhalten.

Was macht Disrupt Tesla konkret bei dem Camp?

Im Camp werden wir uns kennenlernen, uns vernetzen – und dann werden wir gut vorbereitet den Ausbau der Fabrik stoppen. Wir werden kreative und unterschiedliche Aktionen durchführen. Es wird groß, bunt, vielfältig, und es wird für alle etwas dabei sein. Das heißt nicht nur an Aktionen teilnehmen, sondern auch Aufgaben im Camp übernehmen und sich umeinander kümmern. Das ist genauso wichtig.

Halten Sie es für realistisch, die Arbeiter*innen der Tesla-Fabrik davon zu überzeugen, keine Autos mehr zu produzieren, sondern Elektrobusse oder Lastenräder?

In der Fabrik arbeiten mehr als 10 000 Menschen, da kann ich keine Aussage treffen, wie sie einzeln zur Disrupt-Bewegung stehen. Ich weiß aber, dass die Mitarbeiter*innen sehr glücklich darüber waren, dass über die Zustände bei Tesla in den letzten Monaten aufgeklärt wurde. Sie hoffen, dass sich etwas tut. Kein Mensch sollte an einem Ort arbeiten müssen, an dem lebensgefährliche Unfälle im Takt passieren, an dem tagtäglich der Krankenwagen kommt und an dem Unfälle nicht mal gemeldet werden. Wir stehen auch dafür ein, dass sich daran etwas ändert. Das passiert ja alles nicht nur bei Tesla, sondern in einem kapitalistischen System, in dem solche Zustände immer weiter reproduziert werden. Die Mitarbeiter*innen in der Fabrik können nicht mitbestimmen, was sie produzieren. Wir wollen, dass alle Menschen in der Lage sind, mitzugestalten und mitzubestimmen, was wir herstellen. Damit das am Ende allen zugutekommt, nicht nur einzelnen Menschen wie Elon Musk.

In Grünheide vertritt die Industriegewerkschaft Metall die Interessen der Arbeiter*innen. Haben Sie Kontakt zur Gewerkschaft und zu Mitarbeiter*innen?

Ja, haben wir. Uns sind die Arbeitsbedingungen sehr wichtig, und wir sehen, dass die in der Tesla-Fabrik unter aller Sau sind. Die Arbeiter*innen werden ausgebeutet und sind sehr krass gefährdet. Die Arbeitsschutzbestimmungen werden nicht eingehalten. Gleichzeitig gefährdet Tesla weltweit Menschen und Lebensräume. Für den Abbau von Rohstoffen wie Lithium werden ganze Gemeinschaften und die Umwelt zerstört. Ein Beispiel ist die Atacama-Wüste in Chile, wo für den Abbau von Lithium große Wassermengen benötigt werden, was zu Wasserknappheit führt. An alldem sehen wir, dass Tesla gerne bereit ist, für Profite die Gefährdung von Menschen und die Zerstörung der Umwelt in Kauf zu nehmen.

Nun spricht sich die IG Metall allerdings für einen Ausbau der Tesla-Fabrik aus, und auch die Beschäftigten würden vermutlich erst einmal nicht sagen, dass es ihre Lebensbedingungen verbessert, Tesla abzuschaffen. Ist das ein Widerspruch?

Wir alle wünschen uns hier eine Veränderung, auch die Mitarbeiter*innen von Tesla. Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden. Wir wollen das Werk kreativ neu gestalten, damit hier Dinge produziert werden, die für eine lebenswerte Zukunft sorgen. Und das kann im Sinne einer sozialen Verkehrswende auch den Bau von benötigter Infrastruktur für den ÖPNV bedeuten. Wir möchten also eine Umgestaltung der Arbeitsplätze, die sowohl soziale als auch Umweltaspekte berücksichtigt.

Haben Sie Kontakt zu weiteren Akteur*innen vor Ort, zum Beispiel aus der Lokalpolitik?

In Brandenburg wurde sich für eine Politik der Vergangenheit entschieden. Wir sehen da ganz klar die Landesregierung in der Verantwortung, die diese dreckige Fabrik ohne abschließende Genehmigung hat bauen lassen und damit die Grundwasserversorgung von einer halben Million Menschen gefährdet. Die Fabrik ist ja in einem Grundwasser-Schutzgebiet. Der lokale Widerstand und der Protest der Grünheider*innen ist wiederum sehr mutig: Ihr Votum fiel zuletzt eindeutig für Wassergerechtigkeit und gegen den Fabrikausbau aus. Für die Landesregierung ist es höchste Zeit, sich für eine Politik der Zukunft einzusetzen.

Menschen in Deutschland vom Auto wegzubringen ist eine große Herausforderung. So ist in Berlin die CDU gewählt worden, die viel Wahlwerbung mit Autos gemacht hat. Wie versuchen Sie gesamtgesellschaftlich, Menschen vom Individualverkehr abzubringen?

Was Menschen auszeichnet, ist der Wille und der Mut, für Veränderung zu streiten. Für uns ist der soziale Aspekt ökologischer Fragen wichtig. Und dass soziale Lösungen angenommen werden, hat man zum Beispiel am 9-Euro Ticket gesehen. Tesla steht nicht für eine solidarische Verteilung von Ressourcen. Das sieht man auch bei der Streichung von Stellen.

Wenn Sie Menschen von der Fürsorge umeinander und um die Umwelt überzeugen wollen, warum halten Sie es dann für den richtigen Weg, deutschlandweit für ein paar Tage nach Grünheide zu mobilisieren? Müssten nicht alle im eigenen lokalen Umfeld daran arbeiten, dieses Umdenken zu erreichen, statt sich auf das Symbol Tesla zu stürzen?

In dem, was gerade bei Tesla passiert, spitzt sich einfach sehr viel zu. Die Klimagerechtigkeitsbewegung wird immer wieder an verschiedenen Orten zusammenkommen, und Klimakämpfe werden sich immer wieder an verschiedenen Orten manifestieren. Das System Auto wird unter anderem von der CDU aufrechterhalten – und auch von den Konzernen, die ein Profitinteresse daran haben. Die nutzen ihren Profit, um Bilder zu erschaffen, die vermitteln, dass das ein gutes Mobilitätskonzept sei. Wir müssen eine Gegenmacht aufbauen. Dafür brauchen wir auch diese großen Aktionen. Gleichzeitig schließt das eine das andere ja nicht aus. Lokale Kämpfe können geführt werden und große Aktionen können entstehen. Im besten Fall gibt das eine Kraft für das andere, in beide Richtungen.

Gibt es noch etwas, das Sie ergänzen möchten?

Was uns sehr wichtig ist: Wir wollen, dass die Erde unser Zuhause bleibt. Wir wollen eine Zukunft, in der wir Dinge erschaffen. Wir wollen aber nicht, dass für Profite produziert wird, sondern für Menschen. Und das wollen wir gemeinsam bestimmen. Wir möchten, dass das für eine Zukunft passiert, in der wir leben können. Und zwar für uns und nicht dafür, dass sich Elon Musk seine zigste Milliarde einsteckt und dann damit auf den Mars fliegt, während in der Fabrik und weltweit Menschen tagtäglich leiden und gefährdet sind.

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