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Weimar: Gedenken mit politischer Botschaft
Museum zu Zwangsarbeit im Nationalsozialismus soll vor Thüringer Wahlen »demokratische Widerstandkraft stärken«
Es sind Geschichten wie die von Bronislawa Lichniak, die im neuen Museum »Zwangsarbeit im Nationalsozialismus« erzählt werden. Als 16-Jährige war sie 1941 von den deutschen Besatzern aus Warschau verschleppt worden; zur Zwangsarbeit in die Steiermark. Der Kontakt zu ihrer Familie brach ab. Dafür musste sie sexuelle Übergriffe des Bauern erdulden, auf dessen Hof sie gebracht worden war. »Nach einer gewissen Zeit wurde er aufdringlich und versuchte, mich zu verführen«, erinnerte sie sich später.
Mit insgesamt 60 exemplarischen Biografien erzählt das am Mittwoch in Weimar eröffnete Haus von einem nationalsozialistischen Verbrechen, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in beiden Deutschlands entweder totgeschwiegen oder beschönigt wurde. Wenn überhaupt über Zwangsarbeiter gesprochen worden sei, dann etwa mit dem Narrativ, diesen sei es auf dem eigenen Hof gut gegangen oder man habe ihnen Brot zugesteckt, sagt der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner. Allzuoft war das eine Schutzbehauptung, wie man heute weiß. Oder zumindest hätte wissen könnte. Die NS-Zwangsarbeit, sagt Wagner, sei »ein Massenphänomen« gewesen, ein »öffentliches Verbrechen«.
Dass an diesen Verbrechen von nun an im ehemaligen Gau-Forum in Weimar erinnert wird, ist kein Zufall. Der Ort wurde nämlich ursprünglich für Fritz Saukel, den nationalsozialistischen »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz«, gebaut. Und auch das Eröffnungsdatum, der 8. Mai, also der Tag der Befreiung, wurde sicherlich nicht willkürlich gewählt. Denn die Eröffnung dieses Hauses und die zeitgleiche Eröffnung einer neuen Ausstellung der Stiftung Weimarer Klassik ist nach Angaben Wagners auch mit einer politischen Botschaft verbunden. Beides sei ein klares Statement dazu, welche Relevanz die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen für das Selbstverständnis der demokratischen Gesellschaft in Deutschland habe, so der Stiftungsdirektor.
Die Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, Ulrike Lorenz, formuliert das so: Sowohl das Museum als auch die Ausstellung sollten bei denen, die diese Orte besuchen, die »demokratische Widerstandskraft« stärken. Auch, weil in diesem Jahr in Thüringen sowohl Kommunal-, als auch Landtags- und Europawahlen stattfinden, sei ein solcher Erkenntnisgewinn besonders wichtig. Dass auch in Sachsen und Brandenburg Europa- und Landtagswahlen stattfinden, verleiht der Sache noch zusätzliche Relevanz.
Die Ausstellung trägt den Titel »Bauhaus und Nationalsozialismus« und verdichtet ebenso wie das Museum bereits dem Grunde nach bekannte historische Befunde zu den dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte – in der Hoffnung, diesen Befunden eine noch größere öffentliche Resonanz zu verleihen. Das ist schon deshalb sehr ambitioniert, weil inzwischen Millionen Deutsche das Gefühl haben, sie hätten sich bereits zu sehr mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, auch wenn sie in Wahrheit nur wenig über diese Zeit wissen. Dieser Zielstellung zu folgen, schließt aber natürlich nicht aus, dass sowohl die Ausstellung als auch das Museum punktuell Neues hervorbringen.
Wagner sagt beispielsweise, die gesamteuropäische Dimension der nationalsozialistischen Zwangsarbeit sei bei den vielen lokal- oder regionalgeschichtlichen Arbeiten dazu bislang ausgeblendet worden. Dabei müsse doch darüber gesprochen werden, dass europaweit etwa 20 Millionen Menschen von den Nationalsozialisten zur Arbeit gezwungen worden seien. Von ihnen wurden etwa 13 Millionen Männer und Frauen ins Deutsche Reich gebracht. Die anderen Menschen wurden in den besetzen Gebieten als Zwangsarbeiter eingesetzt.
Zudem, erzählt Wagner, mache das neue Museum so, wie das bislang noch nie geschehen sei, sichtbar, dass diese Zwangsarbeiter in unterschiedliche Gruppen eingeteilt gewesen seien und die Art ihre Behandlung von dieser Zuordnung abhing. Während bei einigen Zwangsarbeitern der wirtschaftliche Nutzen ihres Einsatzes im Vordergrund gestanden haben, sei es etwa bei jüdischen Zwangsarbeitern häufig um etwas anderes gegangen. Bei ihnen sei die Zwangsarbeit ein »Mittel zum Zweck, sie zu töten«, gewesen. Für das Museum ist die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora verantwortlich.
Die Bauhaus-Ausstellung wiederum zeigt, dass entgegen eines jahrzehntelang gepflegten öffentlichen Bildes längst nicht alle Bauhäusler Gegner des Nationalsozialismus waren. Die Ausstellung nehme diesen Mythos ebenso in den Blick wie sie daran kratze, sagt Lorenz.
So blieben von den etwa 1400 Bauhaus-Studierenden und -Lehrenden rund 900 in Deutschland. Viele von ihnen passten sich an den Nationalsozialismus an. Nicht nur Einzelne gingen sogar darüber hinaus. Genau 188 Bauhäusler seien NSDAP-Mitglieder gewesen, einige sogar Teil von SA und SS, sagt die Ausstellungskuratorin, Anke Blümm. Auch das wurde jahrzehntelang totgeschwiegen.
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