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Prora-Museum vor dem Aus
Geldsorgen gefährden historische Ausstellung
Wer eine Prora-Visite auf Mecklenburg-Vorpommers Insel Rügen plant und Eindrücke von den im Museum gezeigten Ausstellungen gewinnen will, wird auf der Internet-Seite des Vereins »Prora-Zentrum« überrascht von einem rot unterlegten Hinweis: »geschlossen«. Und ob die Präsentationen eines Tages wieder gezeigt werden, ist bislang ungewiss.
Der Verein, der seit 23 Jahren den Museumsbesuchern die Entstehung der von der Hitlerdiktatur konzipierten monumentalen Ferien- und Urlaubsanlage und deren Werdegang nach dem Zweiten Weltkrieg nahebringt, hält eine Insolvenz für unumgänglich. Der Grund sei ein belastendes Defizit, heißt es. Anfang April war noch von 10 000 Euro die Rede, mittlerweile drücke jedoch eine spürbar höhere Belastung.
Angesichts des inzwischen eingeleiteten vorläufigen Insolvenzverfahrens wurde den Mitarbeitern bereits gekündigt, auch eine Auflösung des Vereins sei im Gespräch, weiß der NDR. Die Gemeinde Binz will sich dafür einsetzen, dass die Ausstellungsstücke und das Archiv des Museums dennoch erhalten bleiben.
Zu den Exponaten zählen Dokumentationen nebst Bildmaterial zur Geschichte des Komplexes, mit dessen Bau die Nazi-Organisation »Kraft durch Freude« (KDF) 1936 begonnen hatte. Entstehen sollte am Ostseestrand das »KDF-Seebad Rügen«, in dem 20 000 Menschen gleichzeitig ihre Freizeit genießen sollten. Der zweite Weltkrieg beendete das ehrgeizige Vorhaben; 1939 war nur der 4,5 Kilometer lange Rohbau fertiggestellt. Er wurde 1945 durch die Sowjetarmee zum Teil zerstört, doch immerhin blieb ein 2,5 Kilometer langes Bauwerk übrig.
Nach dem Krieg wurde Prora von Angehörigen der Kasernierten Volkspolizei und zivilen Baufirmen zur militärischen Anlage ausgebaut. In den anderen vier Blöcken entstand eine große Kaserne, die ab 1956 durch Landstreitkräfte der Nationalen Volksarmee genutzt wurde. Etwa 10 000 bis 12 000 Soldaten waren an diesem Standort stationiert.
Auch zu dieser Epoche hatte der Verein eine Ausstellung erarbeitet. Dazu gehörte auch die Zeit ab 1982, in der sich Prora zum größten Standort von Bausoldaten entwickelte: Junge Waffendienstverweigerer leisteten jenen Dienst. Darüber hinaus bereicherten Ausstellungen zu Sonderthemen das Programm des Trägervereins. Darin ging es beispielsweise um »Frauenwiderstand in der DDR der 80er Jahre« und »Polizeiliche NS-Verbrechensorte in Polen«.
All das, was bislang im Museum des Vereins Prora-Zentrum zu sehen war, könnte eventuell künftig im »Dokumentationszentrum« Prora zu erleben sein, das ebenfalls von einem – anderen – Verein getragen wird. Ob sich jenes Dokuzentrum und das Museum des finanziell maroden Vereins zusammenlegen ließen? Über diese Möglichkeit wollen Vertreter beider Vereine und des Landes Mecklenburg-Vorpommern sprechen. Womöglich ergeben sich dann auch Perspektiven für die jetzt aufgrund des finanziellen Debakels des Museumsvereines gekündigten Mitarbeiter.
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