Tuntenhaus gerettet: Bezirk übt Vorkaufsrecht aus

Da keine Abwendungsvereinbarung unterzeichnet wurde, übt der Bezirk Pankow das Vorkaufsrecht zugunsten einer Stiftung aus

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Tuntenhaus in Prenzlauer Berg hat nun die Aussicht, weiterhin so bunt geschmückt zu bleiben.
Das Tuntenhaus in Prenzlauer Berg hat nun die Aussicht, weiterhin so bunt geschmückt zu bleiben.

Das Tuntenhaus in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg hat nun doch eine Perspektive: Nach monatelangen Protesten übt der Bezirk das Vorkaufsrecht für das Objekt mit den 25 Wohnungen des queeren Wohnprojekts aus. Dies teilte das Bezirksamt Pankow am Donnerstag mit. Am Mittwoch war die Frist zur Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung durch den ursprünglichen Privatkäufer aus Bayern abgelaufen, welche einen Kauf durch den Bezirk verhindert hätte. In der Vereinbarung hätte sich der Investor an Auflagen zum Mieter*innenschutz binden müssen.

Der Vorkauf in Höhe von 1,5 Millionen Euro geht zugunsten der Stiftung Edith Maryon. Sie hat den Zweck, Grundstücke der Spekulation zu entziehen und für gemeinschaftliche Wohnprojekte oder Kultur zur Verfügung zu stellen. Bereits viele Projekte wurden dadurch in mehreren europäischen Ländern umgesetzt. Im Auftrag der Stiftung wird die Genossenschaft Selbstbau eG das stark sanierungsbedürftige Haus zunächst instandsetzen, laut einem bereits erstellten Plan bis 2027.

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Beide realisierten in der Vergangenheit schon gemeinsam ähnliche Projekte, unter anderem auch in der Kastanienallee. Wie das Bezirksamt »nd« mitteilte, wird die Genossenschaft das Haus im Anschluss an die Sanierung als Erbbaurechtsnehmer für den Preis von Kauf und Sanierung übernehmen, die Investitionsbank Berlin wird einen Teil der Summe fördern. Die Stiftung bleibt im Besitz des Grundstücks.

Die etwa 40 Bewohner*innen des Tuntenhauses sind glücklich: »Das Engagement hat sich gelohnt«, sagt Jil Brest, Pressesprecherin des Hauses. »Es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir mit Organisierung und Zusammenhalt Erfolg haben können.« Nach der Sanierung durch die Genossenschaft sei zwar auch mit Mieterhöhungen zu rechnen, jedoch sei diese nur der Wirtschaftlichkeit verpflichtet, ein privater Eigentümer dagegen der Rendite. Beim Privatkauf sei eine unkooperative Sanierung von oben herab zu befürchten, welche insbesondere die Veranstaltungen im gemeinsamen Hof mit dem Nachbarhaus verdrängen könnte, so Brest. Mit Stiftung und Genossenschaft könne nun hingegen die subkulturelle Besonderheit des Wohnprojekts erhalten werden.

»Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2021 ist die Nutzung des Vorkaufsrechts stark eingeschränkt«, sagt Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Seitdem wurde davon allein in der Weichselstraße 52 in Neukölln Gebrauch gemacht. In Falle des Tuntenhauses war dies nur aufgrund schwerer baulicher Missstände möglich.

»Wir freuen uns, dass das Tuntenhaus von dem noch übrig gebliebenen Anwendungsbereich profitieren konnte«, so Werner. Das Vorkaufsrecht sei noch immer ein wichtiges Instrument gegen die Verdrängung von Mieter*innen. »Dennoch bleibt der Handlungsbedarf groß. Es muss auch angewandt werden können, wenn mit Verdrängungsmechanismen der Bewohner*innen zu rechnen ist.«

Das Tuntenhaus ist das älteste queere Wohnprojekt in Berlin, seit 1990 in der Kastanienstraße. Laut Brest werden Lesungen, eine Küche für alle, eine Lebensmittelverteilstelle, das jährliche Hoffest und vieles mehr im Haus angeboten. Damit sei das Projekt nicht nur Schutzraum für die queere Community, sondern wirke auch sozial, indem kulturelle Austauschmöglichkeiten und Essen für arme Menschen angeboten würden.

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