Mit langen Umwegen und Schallwaffen

Wie Reedereien auf die gefährlichen Herausforderungen für die globale Schifffahrt reagieren

  • Hermannus Pfeiffer, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Erdoberfläche ist zu 71 Prozent mit Wasser bedeckt. Genügend Platz für den Schiffsverkehr also, sollte man meinen. Tatsächlich müssen riesige Containerfrachter und Öltanker auf den wichtigsten Routen einige Nadelöhre durchfahren. Die können vergleichsweise ungefährlich sein wie der 1895 eröffnete Nord-Ostsee-Kanal. Die meistbefahrene künstliche Seeschifffahrtsstraße der Welt ist jedoch seit Jahren gefühlt eine einzige Baustelle. Dem legendären Panama-Kanal fehlte es zuletzt infolge einer Dürre monatelang an Wasser. Die Zahl der Schiffspassagen wurde auf 30 pro Tag reduziert und der erlaubte Tiefgang gesenkt.

Eine andere Herausforderung stellen Konflikte dar, die etwa den Weg durch die Straße von Hormus und die Zufahrt zum Suez-Kanal über das Bab Al-Mandab, eine Meerenge zwischen Jemen und Dschibouti, betreffen. Ausweichrouten führen durch die engen Inselwelten im Indischen Ozean und entlang der »Piratenküsten« vor Somalia und Westafrika. Der jüngste Bericht des Internationale Schifffahrtsbüros (IMB) in London zeigt einen deutlichen Anstieg der Angriffe auf Schiffe im ersten Quartal. »Die Gefahr für die Besatzungen bleibt hoch«, warnt das IMB, eine Einrichtung der Internationalen Handelskammer. Inzwischen werden selbst Schiffe in großer Entfernung von der Küste von Banditen angegriffen und gekapert, so im März ein Massengutfrachter mehr als 1000 Kilometer vor Mogadischu.

Besondere Sorgen bereitet Reedereien der indo-pazifische Raum mit der für die globalen Lieferketten existentiellen Route nach Japan, Südkorea und China, dem größten Außenhändler der Welt. Der maritime Verkehr muss durch die über 900 Kilometer lange Straße von Malakka fahren, eine flache Meerenge in Südostasien. Sie ist mit 200 bis 300 Frachtern pro Tag eine der am stärksten befahrenen Wasserwege und hat traditionell eine große geostrategische Bedeutung.

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Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder in Hamburg, beobachtet alle Entwicklungen mit Sorge: »Die vielen kritischen Sicherheitslagen weltweit fordern die Schifffahrt derzeit enorm heraus.« Dazu gehöre neben der Piraterie auch das schwierige geopolitische Umfeld im Roten Meer, in weiten Teilen des Schwarzen Meeres und im Indo-Pazifik. »Die Sicherheit für unsere Schiffe und Seeleute auf den Seewegen muss gewährleistet sein.« Dazu trage die Deutsche Marine durch ihre Beteiligung an internationalen Operationen maßgeblich bei.

Die Schutzmaßnahmen, die Reedereien für ihre Handelsschiffe und ihre Besatzungen selbst ergreifen können, hält Kröger dagegen für »begrenzt«. Sie können insbesondere die aktuellen Warnhinweise und Gefahrenstufen beachten, die internationale Meldesysteme für einzelne Seegebiete herausgeben. Zeigen diese eine akute Gefahrenstufe an, ist die Nutzung der Meldesysteme für die Reedereien verpflichtend.

Grundsätzlich werden auch Abwehrtechniken am beziehungsweise auf dem Schiff eingesetzt, wie Zaunvorrichtungen oder Schall- und Strahlenwaffen. An Bord vieler Schiffe, die Risikogebiete befahren, befindet sich privates Wachpersonal. Dieses ist mehr oder weniger schwer bewaffnet. Die Zulassung erteilt in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei.

Solche Sicherheitsmaßnahmen kosten. Auch darum ziehen es einige Reedereien vor, beispielsweise den Suez-Kanal zu meiden. Auf dem Weg dahin drohen Attacken der Huthi-Milizen. Als eines der ersten war im Dezember ein Schiff von Hapag-Lloyd mit einer Rakete angegriffen worden. Seither fahren viele »Linienreedereien« wochenlange Umwege etwa um Afrika herum. Auch wenn dies die Fahrpläne durcheinander bringt und mehr Schiffe eingesetzt werden müssen.

Was dann die hohen Treibstoffausgaben zusätzlich in die Höhe treibt. Um die Kosten in den Griff zu kriegen, setzt Deutschlands größte Reederei auf Slow-Streaming: »Mit der Reduzierung der Geschwindigkeit um drei Knoten können annähernd fünf Millionen Tonnen CO2 eingespart werden«, wies Hapag-Lloyd-Vorstandschef Rolf Habben Jansen auf einen zusätzlichen Nutzen des langsamen Fahrens hin. Außerdem zahlen Kunden nun einen Gefahrenzuschlag, was die Frachtraten erhöht. Wovon der Endverbraucher aber nichts merkt: Angesichts von abertausenden Containern an Bord eines Frachters machen diese Kosten pro Jeans oder Handy nur wenige Cent aus.

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