- Politik
- Nahost
Großoffensive in Rafah: Israel beugt sich offenbar US-Druck
Großoffensive der israelischen Armee auf Rafah anscheinend vom Tisch. Versorgungslage im Gazastreifen bleibt äußerst prekär
Gaza. Israel hat sein umstrittenes militärisches Vorgehen in Rafah im Süden des Gazastreifens Medienberichten zufolge an Forderungen der USA nach begrenzten Einsätzen angepasst. »Man kann durchaus sagen, dass die Israelis ihre Pläne aktualisiert haben. Sie haben viele der Bedenken, die wir geäußert haben, berücksichtigt«, zitierte die »Times of Israel« einen US-Beamten.
Auch die »Washington Post« hatte zuvor berichtet, Israel habe nach Gesprächen mit der US-Regierung beschlossen, die Pläne für eine Großoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt aufzugeben. Ein früherer Plan, zwei Divisionen der Armee in die Stadt zu schicken, werde nicht weiterverfolgt, berichtete die Zeitung.
Das UN-Hilfswerk für Palästina (UNRWA) setzte die Lebensmittelverteilung in Rafah wegen Lieferengpässen und der Sicherheitslage vorläufig aus. Medienberichten zufolge hält Ägypten humanitäre Hilfsgüter wegen Israels Vorgehen in Rafah zurück. Der dortige Grenzübergang, über den zuvor Hilfe nach Gaza gelangte, ist nach der Übernahme durch Israels Armee geschlossen. Ägypten wolle die Lieferungen erst wieder aufnehmen, wenn die palästinensische Seite der Grenze wieder unter palästinensischer Kontrolle stehe, so die »Times of Israel«.
Die USA hätten versucht, Kairo davon zu überzeugen, dass die in Ägypten angesammelten Hilfsgüter dann wenigstens über den israelischen Übergang Kerem Schalom nach Gaza transportiert werden dürfen, schrieb die Zeitung. Doch laut »Politico« hat Ägypten sämtliche Lieferungen über diese Passierstelle gestoppt. Die Ägypter wollten nach der Übernahme der palästinensischen Seite des Grenzübergangs in Rafah durch die Israelis nicht als deren Komplize erscheinen, indem nun stattdessen die Hilfe über Karem Schalom laufe, hieß es.
Die USA lehnen eine große israelische Bodenoffensive in Rafah ab. Israels Armee hatte vor zwei Wochen einen Bodeneinsatz im Osten der Stadt begonnen. Laut der »Times of Israel« haben nach Schätzungen des israelischen Militärs seither etwa 950 000 Palästinenser das Gebiet verlassen. Derzeit sollen sich demnach noch bis zu 400 000 Zivilisten dort aufhalten. Vor dem Beginn des Einmarsches der israelischen Armee hatten mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens in Rafah Schutz gesucht.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Unterdessen hapert es auch bei den Hilfslieferungen, die über eine provisorische Anlegestelle des US-Militärs nach Gaza gelangen. Die US-Regierung wehrte sich gegen Kritik, dass die Verteilung schleppend verläuft. Es handele sich um ein Kampfgebiet, sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Man arbeite daran, alternative Routen für den Transport der Hilfsgüter an Land auszumachen. Ryder betonte, dass das US-Militär an der Verteilung der Lieferungen nicht beteiligt sei. UN-Sprecher Stéphane Dujarric zufolge verließen am Samstag 16 Lastwagen den schwimmenden Pier. »Aber elf dieser Lastwagen schafften es nie bis zum Lagerhaus.« Menschenmassen hätten die Lastwagen angehalten.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu versicherte unterdessen, Israel habe nicht vor, nach dem Krieg Siedlungen im Gazastreifen zu errichten. »Das war nie vorgesehen«, betonte er in einem Interview des US-Nachrichtensenders CNN. Sobald die Hamas besiegt sei, müsse eine nachhaltige Demilitarisierung Gazas erreicht werden, sagte Netanjahu. »Wir wollen eine zivile Verwaltung, die von Bürgern von Gaza geführt wird, die weder der Hamas angehören noch sich für sie engagieren.«
Die »Washington Post« hatte zuvor israelische Verteidigungsbeamte zitiert, wonach ihre Strategie eine palästinensische Sicherheitstruppe vorsehe. Diese würde zum Teil aus dem Verwaltungspersonal der Palästinensischen Autonomiebehörde bestehen und von einem Regierungsrat aus palästinensischen Persönlichkeiten beaufsichtigt werden. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.