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»Europa«-Begeisterung in Luxemburg ist im Abklingen
Von den großen Parteien in Luxemburg wird die Europäische Union schön gemalt. Begeisterung können sie damit kaum noch entfachen
Dreizehn Parteien und Gruppierungen bewerben sich in Luxemburg um die Stimmen der weniger als 400 000 Wahlberechtigten: Bürger über 18 Jahre und hier lebende EU-Ausländer, die sich für die Wahl eintragen ließen, was jedoch nicht sehr viele getan haben. Sie erhalten am 9. Juni einen Wahlzettel mit je sechs Kandidaten jeder Liste, so viele, wie Luxemburg in das Parlament der EU delegieren kann. Aussicht auf einen Stimmenanteil von mindestens 14 Prozent, der für ein Mandat erforderlich ist, haben jedoch lediglich »etablierte« Parteien.
Viele Luxemburger haben sich damit abgefunden, in Brüssel kaum eine Stimme zu haben – die Zeiten des früheren luxemburgischen EU-Kommissionschefs Juncker sind nicht mehr als eine wehmütige Erinnerung. Doch selbst Junckers Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) erinnert nicht allzu gern an ihren früheren Frontmann, der sich immer wieder ein wenig von der von Paris und Berlin gewünschten EU-Position absetzte.
Im Juni wird in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union über ein neues EU-Parlament abgestimmt. Dabei zeichnet sich ab, dass rechte Parteien an Einfluss gewinnen könnten. Was ist eine linke Antwort darauf? Und wie steht es um die Klimapolitik der EU? Welche Entwicklungen gibt es in Hinblick auf Sozialpolitik und was ist im Bereich der europäischen Asyl- und Migrationpolitik zu erwarten? Die anstehende Europawahl wird richtungsweisend. Auf unserer Themenseite fassen wir die Entwicklungen zusammen: dasnd.de/europawahl
Die CSV ist in diesem Wahlkampf ganz auf der Linie ihrer deutschen Freunde. Sie ahmt nicht nur deren Slogans nach (»Ein starkes Europa für eine starke Sicherheit«), sondern hat offenbar auch dieselbe Werbefirma engagiert. Auf den CSV-Plakaten in denselben Farben plädieren die Christlich-Sozialen für »eine starke Stimme in der Welt«, für »ein starkes Sozialmodell« und für eine »starke Werte-Macht«.
Darin unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den Sozialisten, die deckungsgleiche Ziele mit anderen Slogans verkünden, unter der Hauptlosung »Europa braucht ein starkes Herz«. »Europa, das bedeutet Frieden, Sicherheit und Freiheit«, heißt es auf ihren Plakaten.
Der irreführende Anspruch, die EU sei identisch mit Europa, zieht sich durch fast alle 13 Listen. Allerdings ist in einigen Wahlprogrammen zuweilen erkennbar, dass man mit diesem »Europa« doch nicht so ganz zufrieden ist. Fast alle Parteien geben vor, »Europa« besser machen zu wollen – was auch immer damit gemeint sein mag. Damit buhlt man um Stimmen der Wähler, die auch im angeblich so EU-begeisterten Luxemburg gern vieles anders sehen möchten. Zum Ausdruck kommt das allerdings eher in Kommentaren in sozialen Medien, in denen nicht wenige Luxemburger andeuten, trotz Wahlpflicht eher nicht zur Wahl gehen zu wollen.
In hiesigen Medien kommen dann auch eher Kandidaten zu Wort, die ein »weiter so, aber besser« verkaufen wollen. Und die den Leuten einreden, mit der »richtigen« Wahl könne man genau das auch in Brüssel durchsetzen. Ebenso wie in den Nachbarländern wird die – eigentlich durchaus berechtige – Besorgnis geheuchelt, bei diesen Wahlen könnten Rechtsextreme ein größeres Gewicht bekommen. Gleichzeitig wird genau deren Bauernfängerei bedient. Bewusst verschwiegen werden dabei Parteien wie die Mussolini-Bewunderer der italienischen Premierministerin Meloni, die schon längst im System der EU angekommen sind.
Zudem häufen sich Interviews, Talkrunden und seitenlange Artikel, mit denen die weniger wahlbegeisterten Luxemburger doch noch an die Wahlurne gelockt werden sollen. So wurden zum Beispiel unter der Überschrift »Wie die Parteien Europa sicherer machen wollen« Überlegungen zur »inneren Sicherheit« angestellt. Dabei ging es dann vor allem um Migration, Flüchtlingsabwehr und zunehmende Kriminalität – also Probleme, die durch die Politik der EU erst entstanden sind oder von ihr forciert werden.
Ein Podcast, der dich anlässlich der Europawahl 2024 ins »Herz« der EU mitnimmt. Begleite uns nach Brüssel und erfahre mehr über Institutionen wie das Europäische Parlament, was dort entschieden wird und warum dich das etwas angeht. Der Podcast ist eine Kooperation von »nd«, Europa.Blog und die-zukunft.eu. Alle Folgen auf dasnd.de/europa
Darauf verweisen als einzige die Kommunisten, die ihren Wahlkampf unter die Losung »Sozialabbau und Aufrüstung? Nicht mit uns!« gestellt haben. Die KPL will diesen Wahlkampf erneut nutzen, um die Menschen darauf hinzuweisen, dass die EU mit ihrer Wirtschaftspolitik und ihren Sanktionen für die entstandenen Einschnitte im sozialen Bereich, für die andauernde Teuerung, für den Abbau von in Jahrzehnten erkämpften Rechten im Betrieb, und nicht zuletzt auch für eine bisher nie dagewesene Militarisierung und Aufrüstung mitverantwortlich ist. Die Partei erklärt, dass die EU nicht durch Reformen »besser«, »sozialer« und »friedlicher« gemacht werden kann, sondern durch eine völlig andere Form der Zusammenarbeit ersetzt werden muss.
Chancen auf ein Mandat rechnen sich die Luxemburger Kommunisten nicht aus, aber ihre Argumente finden im Wahlkampf durchaus Anklang, zunehmend auch bei jüngeren Menschen.
Uli Brockmeyer ist Redakteur der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«
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