Bayrische Unikliniken: »Wie drittklassige Menschen behandelt«

An drei bayrischen Universitätskliniken streiken die Reinigungskräfte. Interview mit Betriebsrätin Nelli Nentschuk aus Regensburg

  • Interview: Raul Zelik
  • Lesedauer: 5 Min.
Seit Jahren wird an Krankenhäusern überall in Deutschland gegen schlechte Arbeitsbedingungen, Überlastung und Niedriglöhne gestreikt.
Seit Jahren wird an Krankenhäusern überall in Deutschland gegen schlechte Arbeitsbedingungen, Überlastung und Niedriglöhne gestreikt.

An drei bayrischen Unikliniken streiken gerade die Reinigungskräfte – in Regensburg, Erlangen und Würzburg. Worum geht es da?

Die Beschäftigten bei uns sind alle in der Niedriglohngruppe. Wir bekommen 13,50 Euro die Stunde, beziehen kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld und erhalten auch keine Lohnerhöhungen bei längerer Betriebszugehörigkeit. In Regensburg hat nur unsere Firma, die Krankenhaus-Dienstleistungs-Gesellschaft (KDL), so eine Regelung. Unsere Forderung ist, dass wir denselben Tarifvertrag bekommen wie alle anderen Mitarbeiter*innen des Klinikums. Dieselben Rechte und dasselbe Gehalt wie die Kolleg*innen, die direkt bei den Kliniken beschäftigt sind.

Ist die KDL eine direkte Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums?

Als ich 1999 angefangen habe, waren alle, die wir damals im Uniklinikum Regensburg geputzt haben, bei der Firma Götz beschäftigt. 2006 haben die Klinikbetreiber und die Firma Götz dann beschlossen, eine eigene Niedriglohnfirma zu gründen. Zusammen haben sie das Unternehmen KDL gegründet. 51% der Anteile gehören dem Uniklinikum, 49% der Firma Götz. 

Interview

Nelli Nentschuk ist Betriebsrätin bei der Krankenhaus-Dienstleistungs-Gesellschaft (KDL), die zu 51 Prozent der Uniklinik Regensburg gehört. Seit Anfang Mai streiken dort die Beschäftigten und fordern die tarifliche Gleichstellung mit den direkt angestellten Kolleg*innen.

Und die Leute bei Ihnen arbeiten alle Vollzeit?

Es gibt auch Teilzeitkräfte, von denen die meisten Verträge über 6 Stunden täglich haben. Weil der Lohn aber bei uns so niedrig ist, fehlt es immer an Personal. Auch die Beschäftigten mit Teilzeitvertrag müssen deshalb 8 bis 10 Stunden täglich machen.

In den Reinigungsfirmen, die in Berlin von den Krankenhäusern auf ähnliche Weise betrieben werden, arbeiten fast nur Menschen mit Migrationshintergrund. Ist das bei Ihnen auch so?

Ja, unsere Mitarbeitenden stammen aus mehr als 20 Ländern, viele haben Sprachschwierigkeiten. Oft werden die Beschäftigten von der Firma gezwungen wurden, unbegrenzt Überstunden zu machen. Oder sie müssen mehr Räume putzen als eigentlich vorgesehen.

Mit 13,50 Euro kommt man netto je nach Steuerklasse auf etwa 1400 Euro. Kann man mit so einem Lohn in Bayern die Miete bezahlen?

Man kann damit nur die Miete bezahlen. Viele von unseren Mitarbeitern haben noch einen zweiten Job, um überleben zu können.

Wie hat sich der Arbeitskampf bei Ihnen entwickelt?

Wir haben mit einer Petition angefangen. Das heißt, wir haben für unsere Forderungen Unterschriften gesammelt und einen Termin mit dem Geschäftsführer ausgemacht, damit er in einer »aktiven Pause« zu uns kommt und wir ihm die Petition übergeben können. Er hat das ignoriert, und das Klinikum uns verboten, unsere »aktiven Pausen« auf dem Klinikgelände durchzuführen. Daraufhin haben wir im März und April 5 Warnstreiktage gemacht. Weil die Geschäftsleitung uns weiter ignoriert hat, haben wir die Urabstimmung organisiert. Seit dem 2. Mai sind wir im Erzwingungsstreik. Im Mai hatten wir bislang 13 Streiktage. Wir streiken in Wellen, also mit Unterbrechungen. Aber der Arbeitgeber ist nicht einmal zu Sondierungsgesprächen bereit.

Der Streik läuft vor allem in Regensburg. In Erlangen und Würzburg ist die Beteiligung offenbar deutlich geringer.

In Würzburg und Erlangen ist das Klinikum auf mehrere Häuser verteilt. Deshalb ist es schwieriger, die Beschäftigten zu erreichen. Die Leute können ja nicht einfach ihren Arbeitsplatz verlassen. Und bei einem Arbeitskampf muss man die Kolleg*innen direkt ansprechen können. Unser Vorteil in Regensburg ist, dass wir in einem einzigen Haus arbeiten. Wir machen an jedem Tag mit anderen Kolleg*innen Pause und auf diese Weise erreichen wir viele Leute. Außerdem haben viele Beschäftigte in Erlangen und Würzburg Angst, ihre Stelle zu verlieren. 

Es heißt, der Arbeitgeber gehe mit allen Mitteln gegen den Streik vor. Eine für Union-Busting berüchtigte Anwaltskanzlei ist gegen Sie eingeschaltet worden.

Ja, in Erlangen und Würzburg gab es Kündigungen. In Regensburg haben wir die Streikvorbereitungen lange geheim halten können, sodass die Gegenseite nicht so leicht gegen Einzelpersonen aktiv werden konnte. Bei uns macht der Arbeitgeber Druck, indem er befristete Verträge nicht mehr verlängert. Das betrifft zwei, drei Beschäftigte. Menschen mit befristeten Verträgen sind immer sehr erpressbar.

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Ein weiteres Problem ist, dass Nicht-Deutsche ein Beschäftigungsverhältnis nachweisen müssen, wenn sie ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern wollen ...

Richtig. Wir haben aber das Glück, dass bei uns viele unbefristet und schon etwas älter sind. Ich stehe zum Beispiel kurz vor der Rente. Mich kann der Arbeitgeber nicht so einfach unter Druck setzen. Unser Problem ist eher, dass wir von unseren Renten nicht leben können. Nach 30 Berufsjahren in der Firma bekommen wir 500, 600 Euro Rente monatlich.

Wie hoch ist die Streikbeteiligung in Regensburg?

Bei uns gibt es etwa 300 Beschäftigte, davon sind etwas über 60 Prozent Verdi-Mitglieder. Von denen streiken fast alle.

Auf wen müsste man politischen Druck ausüben? Befinden sich die Unikliniken nicht in der Hand des Freistaats Bayern?

Wir fordern, dass die Klinikleitung mit uns über die Eingliederung in den Tarifvertrag der Länder verhandelt. Uns werden systematisch Rechte vorenthalten: Wir haben den Corona-Bonus nicht erhalten, obwohl unsere Leute die Zimmer der Corona-Patient*innen geputzt haben. Man hat uns die Zahlung zum Inflationsausgleich verweigert, die sogar Arbeitslosen und Rentner*innen erhalten haben. Wir werden wie drittklassige Menschen behandelt. Und die Landesregierung in Bayern könnte daran etwas ändern, denn das Gesundheitsministerium entscheidet das mit den Klinikleitungen zusammen.

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