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AfD wenigstens nicht stärkste Kraft
Keine Rathäuser und Landratsämter, aber viel Macht in Parlamenten für extreme Rechte in Thüringen
Die Ergebnisse der Thüringer Kommunalwahlen am Sonntag kann man verschieden interpretieren. Viele werden sie als Bestätigung dafür sehen wollen, dass es mit der AfD doch nicht so schlimm ist, wie vorab befürchtet worden war. Denn der rechtsextremen Partei ist es nirgends gelungen, im ersten Wahlgang einen Landrat oder gar Oberbürgermeister durchzusetzen.
Darüber hinaus gelang es einem AfD-Bewerber nur in einem Landkreis, die meisten Stimmen auf sich zu vereinen: Im Altenburger Land lag AfD-Kandidat Heiko Philipp mit 33 Prozent der abgegebenen Stimmen knapp vorn. Der Zweitplatzierte, der CDU-Mann Uwe Melzer, kommt nach dem vorläufigen Endergebnis auf 32,2 Prozent.
In den größeren Städten kamen die AfD-Kandidaten bei den Oberbürger- und Bürgermeisterwahlen wie erwartet nicht auf vordere Plätze. In Erfurt erhielt der AfD-Ko-Landesvorsitzende Stefan Möller vergleichsweise bescheidene 19,4 Prozent, in Jena kam sein Parteifreund Denny Jankowski auf 12,7 Prozent.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
In Weimar und Suhl hatte die Rechtspartei ganz darauf verzichtet, eigene Bewerber aufzustellen. In den beiden kreisfreien Städten behaupteten sich wohl auch deswegen die Amtsinhaber Peter Kleine (parteilos) und André Knapp (CDU) souverän schon im ersten Wahlgang. Kleine kam auf fast 73 Prozent, Knapp auf fast 83 Prozent der Stimmen.
Gerade das Suhler Ergebnis ist eine Demütigung für Die Linke, deren Bewerber Steffen Hartwig nur etwa 18 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten hat – in einer Kommune, über die es seit dem Kapp-Putsch 1920 jahrzehntelang hieß: »Im grünen Wald die rote Stadt, die ein zerschossen Rathaus hat.«
In Eisenach dürfte der Verlust des Rathauses Die Linke besonders schmerzen. Die langjährige Oberbürgermeisterin Katja Wolf war nicht mehr angetreten und zum Bündnis Sahra Wagenknecht gewechselt. Die meisten Stimmen erhielt in der Wartburgstadt CDU-Bewerber Christoph Ihling (40,5 Prozent), auf Platz zwei landete mit 30,5 Prozent Johnny Kraft (SPD).
Zugleich hat die Thüringer Linke-Vorsitzende Ulrike Grosse-Röthig recht, wenn sie über diese Wahl sagt, Thüringen bleibe demokratisch. Die Wähler hätten »den braunen Griff nach der Macht im ersten Wahlgang bei Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen verhindert«. Und: »Der Osten ist nicht mit einem Schlag blau geworden.«
Die CDU ist zugleich in der ersten Runde der Oberbürgermeister- und Landratswahlen stärkste Kraft geblieben. Der Tag dieser Kommunalwahl sei »ein guter Tag für Thüringen«, erklärte der CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt.
Gleichwohl rückt der Freistaat weiter nach rechts. Insbesondere im ländlichen Raum haben es AfD-Kandidaten vielerorts in die Stichwahlen geschafft, teilweise gegen CDU-Kandidaten, die nach dem Ausscheiden der bisherigen Amtsinhaber mit CDU-Parteibuch erstmals für ein Landratsamt kandidieren, und teilweise gegen SPD-Amtsinhaber.
Unter anderem im Kyffhäuser-Kreis, im Wartburgkreis und im Ilm-Kreis sowie in den Landkreisen Gotha, Sömmerda, Greiz und Saale-Holzland kommt es deshalb zu Stichwahlen mit AfD-Beteiligung. Selbst im katholischen Eichsfeld – einer absoluten CDU-Hochburg – muss Unions-Kandidatin Marion Frant gegen den AfD-Kandidaten Marcel König in die Stichwahl. Termin für diese Wahlen ist der 9. Juni.
Auf das gesamte Land gerechnet drückt sich dieser erhebliche Stimmenzuwachs für die AfD bei diesen Kommunalwahlen so aus: Bei der ersten Runde der Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen 2018 war die AfD in Thüringen auf einen Stimmenanteil von 10,2 Prozent gekommen. Dieses Mal haben sich 20,5 Prozent der Wähler für AfD-Bewerber entschieden. Damit hat die AfD bei der kommunalen Zustimmung SPD und Linke deutlich überholt – und das, obwohl die extrem rechte Partei nicht einmal überall eigene Bewerber aufgestellt hatte. Die CDU hatte 2018 fast 38 Prozent der Stimmen bekommen, nun sind es noch etwa 31 Prozent.
Das krasseste Beispiel dafür, wie weit nicht kleine Teile der Gesellschaft in Thüringen nach rechts gerückt sind, kommt aus Südthüringen. Bei der Landratswahl im Kreis Hildburghausen hat es der langjährige Neonazikader Tommy Frenck mit seiner Wählergemeinschaft »Bündnis Zukunft Hildburghausen« (BZH) mit 24,9 Prozent in die Stichwahl geschafft. Er lag knapp vor CDU-Bewerber Dirk Lindner. Weit vorn liegt dort mit 42,4 Prozent Sven Gregor von den Freien Wählern.
Laut Thüringer Verfassungsschutzbericht 2022 hat sich das BZH »zur führenden neonazistischen Gruppierung im Landkreis Hildburghausen« entwickelt. Dennoch war der unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte Neonazi Frenck vom Wahlausschuss als Kandidat zugelassen worden, was landesweit für Entsetzen gesorgt hatte.
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