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Alba Berlins Basketballer haben ein Zuschauerproblem
Selbst im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft wird die Halle nicht annähernd voll. Der Basketballboom geht an Alba vorbei
Nach der Bronzemedaille der deutschen Basketballer bei der Heim-EM 2022 erhofften sich Anhänger einen Boom für ihre Sportart. Als das Nationalteam ein Jahr später sogar erstmals Weltmeister wurde, bestand daran kein Zweifel mehr. Die Vereine verzeichnen einen Ansturm neuer Mitglieder, die Basketball-Bundesliga (BBL) immer neue Zuschauerrekorde und Titel in Europapokal-Wettbewerben. Nur an einem Team scheint der Aufschwung vorbeizuziehen: Alba Berlin.
Am Dienstagabend waren 8147 Zuschauer in die Arena am Ostbahnhof gekommen. Das klingt nach viel, ist es im Vergleich zu den BBL-Kontrahenten auch immer noch. Doch für Alba ist die Entwicklung rückläufig. Als der Verein vor knapp 16 Jahren den Umzug in die mehr als 14 000 Menschen fassende Halle wagte, brüstete sich der Klub damit, dass kein anderer in Europa so viele Fans hätte wie er. Im Schnitt kamen 2009 mehr als 10 000 Zuschauer zu Albas Spielen, nicht selten war die Arena komplett ausverkauft. Mittlerweile ist das zur Seltenheit geworden und der Zuspruch sinkt stetig: auf gut 8400 mittlerweile. So niedrig war der Schnitt noch nie seit dem Umzug, die Corona-Jahre ausgenommen. Dabei steigt er beim Rest der Bundesliga an.
Das ändert sich nicht einmal, wenn es sportlich um etwas geht. Ja, das Duell gegen die Niners Chemnitz fand am späten Dienstagabend statt, aber es war der Auftakt ins Halbfinale um die deutsche Meisterschaft. Mit Johannes Thiemann stand ein Weltmeister auf dem Parkett. Dennoch blieb die vorherrschende Farbe des Abends blau – von den vielen freien Sitzen in der Arena. Das Publikum von Albas Männern ist vor allem zwischen 2020 und 2022, als man drei Meistertitel in Folge feierte, verwöhnt worden. Doch große Teile dieses erfolgreichen Teams haben Berlin verlassen.
Dabei ist die BBL so spannend wie selten zuvor. Das liegt auch an den Chemnitzern, die als Gesamtdritter die beste Hauptrunde ihrer Vereinsgeschichte hinter sich haben, zudem den Europe Cup gewannen und zum Halbfinalauftakt nun auch noch erstmals in Berlin mit 95:82 siegen konnten. Hier trafen der Zweit- und der Drittplatzierte aufeinander, die nach je 34 Hauptrundenpartien gerade mal ein Sieg in der Tabelle voneinander getrennt hatte. Und zumindest zu Beginn war diese Partie lange ausgeglichen. Erst als Chemnitz kurz vor Ende der ersten Halbzeit durch Center Kevin Yebo begann, seine Dreipunktwürfe zu treffen, und die Berliner gleichzeitig eher gegen die Schiedsrichter spielten als gegen die Sachsen, zogen letztere auf 44:32 davon.
Danach wurde das erste Halbfinale sogar hochklassig. Immer mehr Würfe fanden ihr Ziel. Dazu boten beide Teams eine intensive Verteidigung. Die Chemnitzer, die erstmals unter den besten Vier der BBL vertreten sind, hielten Albas Sturmlauf aber immer wieder stand. »Wir haben es einfach nicht geschafft, sie aus ihrem Rhythmus zu bringen«, klagte Albas Center Thiemann später. »Wir wussten, was uns erwartet, konnten ihre Härte aber nicht über 40 Minuten mitgehen.«
Knapp vier Minuten vor Schluss hatte Alba den Rückstand dennoch auf sechs Punkte verkürzt, da standen plötzlich auch all jene auf der Haupttribüne, die zuvor vergeblich vom Fanblock zum gemeinsamen Anfeuern aufgefordert worden waren. Eine schöne Aufholjagd holt doch auch die Letzten von den bequemen Sitzen. Doch im Europapokal haben die Niners gelernt, auch in schwierigen Situationen kühlen Kopf zu bewahren. So brachten sie den Sieg über die Zeit. »Wir waren nun schon so oft in solchen Situationen und wissen, wem wir dann den Ball geben wollen, wer die besten Entscheidungen trifft«, sagte der Chemnitzer Abwehrspezialist Dominic Lockhart.
Auch der deutsche Nationalspieler wunderte sich später über die halbleere Arena, die lange träge gewirkt hatte. »Es ist schwer, so eine große Halle voll zu bekommen. Vielleicht lag es daran, dass das Spiel an einem Dienstag um 20.30 Uhr angepfiffen wurde. Das macht es für normale arbeitende Leute schwer herzukommen«, suchte er noch nach Ausreden für die Hauptstadt mit ihren gut 3,6 Millionen Einwohnern.
In absoluten Zahlen ist Alba immer noch BBL-Primus, bei der Auslastung findet sich Berlin mit nur 57 Prozent allerdings ganz am Ende der Liga wieder. Dabei zeigte das eigene Frauenteam zuletzt, wie eine neue Euphorie geweckt werden kann. Ganz ohne Stars – und ohne Logenplätze in einer alten Halle. Purer Basketball füllte hier alle Plätze. Auch wenn es nur knapp 2400 waren, war das vor Kurzem für deutsche Basketballerinnen noch undenkbar. In der großen Arena am Ostbahnhof müssen die VIP erst zum Aufstehen aufgefordert werden, in der kleinen stehen alle von alleine eine ganze Halbzeit lang.
Albas Klubführung will schon seit Jahren ob der steigenden Miete in der Multifunktions-Arena eine neue eigene Halle bauen. Doch dafür fehlt es noch an Unterstützung durch Politik und Sponsoren. Geld sitzt nun mal nicht locker, und selbst Alba kann ein solches Millionenprojekt nicht allein stemmen. Ein Standort ist auch noch nicht gefunden. Die aktuelle Tristesse in der Event-Halle am Ostbahnhof aber zeigt, dass die Zeit für einen Wandel gekommen ist.
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