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Wagenknecht auf Tour: Zwischen Populismus und Ampelschelte
Sahra Wagenknecht tourt mit ihrem Programm zur Europawahl durch die Republik
Als Sahra Wagenknecht kommt, regnet es. Sie steigt aus einem Audi, macht Selfies und plauscht kurz mit Fans, um dann schnurstracks auf die Bühne am Schadowplatz in der Düsseldorfer Innenstadt zu gehen.
Die Protagonistin ihres eigens geschaffenen Bündnisses BSW spricht am Dienstagabend vor rund 300 Menschen. Nicht wenige von ihnen sind enttäuschte Linke, andere finden »einfach nur Sahra gut«.
Um es vorweg zu nehmen: Vieles, was Sahra Wagenknecht kritisiert, predigt und fordert, sind »alte Hüte«, wie es ein BSW-Anhänger treffend sagt. Dennoch ist das, was die 54-Jährige in etwa einer halben Stunde von sich gibt, für ihn »immer noch richtig und passend«.
Heftige Kritik übt Wagenknecht an der Regierungskoalition, die alles vermassele und die schon am 9. Juni abgewählt werden soll. »Die Ampel hat Deutschland heruntergewirtschaftet.« Es brauche dringend einen »politischen Neubeginn«. Wie der aussehen könnte, skizziert sie mit vier Politikfeldern – Frieden, Wohlstand, soziale Sicherheit und Freiheit. Diese Attribute und Werte hätten vor mehr als 60 Jahren am Anfang der europäischen Einigung gestanden. Aktuell seien die EU und Deutschland weit davon entfernt, sie mit Leben zu füllen.
Das Europa der Brüsseler Institutionen verkörpert für Wagenknecht und ihre Anhänger – im Osten mehr als im Westen – »immer weniger einen persönlichen Freiheitsgewinn«. Sie kritisiert neoliberale Freiheiten für multinationale Unternehmen, die »regionale Anbieter ausbooten und eine Konkurrenz um die niedrigsten Löhne und schlechtesten Arbeitsbedingungen anzufachen«.
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Geradezu abgehoben sei die Politik der Moralweltmeister der Ampel-Koalitionäre, erklärt sie. Es werde lieber teures und umweltschädliches US-amerikanisches Fracking-Gas oder schmutziges Flüssiggas aus Katar gekauft als günstigeres aus Russland. Es brauche endlich wieder eine deutsche Außenpolitik, die ihrem Namen auch verdiene. Heißt konkret: Deutsche Interessen zuerst und »da einkaufen, wo es am günstigsten ist«.
Ob die Ampel-Koalition in Berlin oder EU in Brüssel: Alles Einheitsbrei – so kann man Wagenknecht deuten. Beide wollten Bürger nur kontrollieren, gar bevormunden, und alles sei kaum demokratisch zu überwachen. »Habecks Blase in Berlin entspricht nicht der Lebensrealität der Menschen in Deutschland.« Wer könne sich schon leisten, im Bioladen einzukaufen oder ein Lastenrad zu kaufen, fragt sie.
Wagenknecht reitet auf Stereotypen herum. Das wichtige Thema soziale Gerechtigkeit fällt auch beim BSW nur dürftig aus. »Leistungsfähige öffentliche Daseinsvorsorge und hohe soziale Standards« seien zu bewahren und zu schützen, heißt es in seinem Programm. Es brauche mehr Tarifverträge, und ortsübliche Löhne gegen Billigkonkurrenz müssten verteidigt werden, zudem brauche es »eine gerechte Besteuerung von Superreichen«.
Wagenknecht-typisch ist die Kritik an der verkorksten Riester-Rente, die nur den Banken und Versicherungshaien etwas bringe. Sie bemängelt außerdem den zu geringen Mindestlohn, für eine Erhöhung proklamiert sie ein Alleinstellungsmerkmal. Ebenso prangert sie die Profitgier der Krankenhäuser an und erntet dafür Beifall. »Sie sollten Kranke heilen und keine Rendite abwerfen.« Auch über die zu hohen Mieten in Städten wie Düsseldorf oder Köln und ihr Lieblingsthema, die gesunkene Kaufkraft der Reallöhne, spricht sie. Für all dieses Elend macht sie die Ampel verantwortlich.
Neben einer ermüdenden Rundum-Schelte skizziert Wagenknecht auch ihre Vision von einer Europäischen Union. Sie wünscht sich ein selbstbewusstes Bündnis souveräner Demokratien und hält es für falsch, dass es durch die Zentralisierung von Macht bei der EU-Kommission zusammenfinde.
»Wirtschaftliche Vernunft« bedeutet für den BSW, eine Europäische Union, die ihre wirtschaftliche und industrielle Basis durch gute Rahmenbedingungen und gemeinsame Zukunftsprojekte sichert. Der deutsche Standort müsse vor ruinösem Steuerwettbewerb und sinnlosen Auflagen und Berichtspflichten geschützt werden, so heißt es im Programm zur Europawahl. Das klingt wie bei der FDP oder der CDU.
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