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Das Erfolgsgeheimnis in Elstal
Wo Brandenburgs Linke noch die klassische Kümmerer-Partei ist, da erzielt sie gegen den Trend gute Wahlergebnisse
Ines Zielske besorgte Erdbeerkuchen, Margrit Gennburg kochte Tee. Jetzt sitzen sie mit Fabian Streich und Daniel Irrgang am Karl-Liebknecht-Platz von Elstal. Die Altersspanne ist groß. Fabian Streich ist 27 Jahre und studiert an der Technischen Universität Berlin Ökologie und Umweltplanung. Daniel Irrgang ist 35 und angestellt in der Verwaltung der Stadt Falkensee. Die 66-jährige Ines Zielske ist von Beruf Gärtnerin und die 69-jährige Margrit Gennburg unterrichtete als Lehrerin Mathematik.
Aber die politische Überzeugung und das Engagement für ihren Heimatort schweißt sie zusammen. Alle vier gehören der Linken an und kandidieren bei der Kommunalwahl am 9. Juni für die Gemeindevertretung Wustermark. 11 262 Einwohner leben insgesamt in den sechs Ortsteilen, davon allein 5767 im schnell gewachsenen Elstal. Noch 2001 wohnten dort nur rund 1800 Einwohner. Fabian Streich, dessen Familie in dritter Generation in Elstal zu Hause ist, verlebte seine Kindheit in einem noch beschaulichen Ort. Schön ist es immer noch mit der Naturlandschaft Döberitzer Heide, der hübsch sanierten alten Eisenbahnersiedlung und dem interessanten Olympischen Dorf von 1936. Doch Bevölkerung, Bauland und Gewerbe wachsen ungeordnet, beklagt Streich, der im Gegensatz zu den anderen drei bereits jetzt der Gemeindevertretung angehört. Gelaufen sei es leider so: »Da kam ein Investor und dem hat man die erstbeste Fläche gegeben.« Der Zuzug ist nicht verwunderlich. In Berlin und Potsdam herrscht Wohnungsnot und es gibt von Elstal für Pendler schnelle Zugverbindungen.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
»Je größer der Druck aus Berlin wird, je mehr die Wohnungen nachgefragt werden, umso mehr steigen die Mieten«, beschreibt Margrit Gennburg das Problem. »Da muss etwas geschehen«, fordert sie. Sie klingt dabei genauso entschieden wie ihre Tochter Katalin, die der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus angehört und sich dort um die Stadtentwicklung kümmert. Steuerungsmöglichkeiten in Elstal fehlen weitgehend. Inzwischen gehören hier vier von sechs Siedlungen dem Wohnungskonzern Vonovia und weitere Quartiere der Hamburger Immobilienfirma TAG. Theoretisch gibt es mit der Wohnungsbau- und Verwaltungs-GmbH Ketzin auch eine kommunale Wohnungsgesellschaft. Doch deren 1500 Wohnungen befinden sich überwiegend in den Städten Ketzin und Nauen. Die Bestände in Wustermark sind überschaubar. »Um das Wohnungsproblem zu lösen, ist diese Wohnungsgesellschaft einfach zu klein«, bedauert Irrgang. Die Chance, eine alte Kaserne in bezahlbaren Wohnraum umzuwandeln, wurde vertan. Stattdessen soll dort ein Ferienresort entstehen.
Die Idee, eine kreiseigene Wohnungsgesellschaft zu gründen, verfolgte Kandidat Harald Petzold (Linke), der am 26. Mai bei der Landratswahl im Havelland 11,9 Prozent erzielte. Gegen den Abwärtstrend seiner Partei verbesserte Petzold sein Ergebnis im Vergleich zur Landratswahl 2016 um 1,3 Prozentpunkte. In der Gemeinde Wustermark bekam Petzold nun 13,6 Prozent, in zwei Wahllokalen in Elstal sogar mehr als 20 Prozent. »Es war ein Signal, dass die Linke noch da ist und mit ihr zu rechnen ist«, sagt Gemeindevertreter Streich.
Elstal ist eine der wenigen Hochburgen, die Die Linke in Brandenburg noch hat, vielleicht die letzte. Die Partei befand sich schon bei der Kommunalwahl 2019 auf Talfahrt, rutschte in den Städten und Gemeinden von 16,4 auf 11,5 Prozent ab. Doch in Wustermark legten die Genossen gegen den Trend zu und erzielten 24,5 Prozent. Das hatte viel mit Tobias Bank zu tun, bei dem die Wähler von allen Kandidaten aller Parteien mit Abstand die meisten Kreuze machten. Bank zog aber 2022 weg nach Treuenbrietzen, ungefähr in der Zeit, als er Bundesgeschäftsführer der Linken wurde, was er aber seit Januar 2024 nicht mehr ist. Ines Zielske trat nur deswegen in die Partei ein, weil sie fasziniert von Bank war und ihn unterstützen wollte.
Tobias Bank betont, der Erfolg in Wustermark sei eine Teamleistung gewesen, an der insbesondere Fabian Streich und Linksfraktionschefin Sandra Schröpfer großen Anteil hatten. Schröpfer tritt aber aus persönlichen Gründen nun auch nicht wieder an. Die 24,5 Prozent am 9. Juni zu halten, wird also schwer werden. Dennoch nehmen sich die Genossen das vor, wollen am liebsten erneut zulegen. Realistisch schätzt Streich aber auch ein: »Wenn wir in dem Bereich von 2019 bleiben, ist das ein extrem gutes Ergebnis.« Sechs Linke-Kandidaten für die Gemeindevertretung sind nominiert und zusätzlich noch der parteilose Matthias Redsch von der rührigen Mieterinitiative Elstal für den Ortsbeirat.
»Wir haben nicht nur alle fünf Jahre Wahlkampf gemacht, sondern jede Woche«, verrät Bank das Erfolgsgeheimnis. Es bestand darin, sich unermüdlich um die Menschen zu kümmern. Hilfe bei Schwierigkeiten mit dem Vermieter standen dabei an erster Stelle, in den vergangenen zwei Jahren waren überhöhte Betriebskostenabrechnungen das Thema Nummer eins. Nachzahlungen von 400 bis 4000 Euro seien verlangt worden, berichtet Fabian Streich kopfschüttelnd. Die 4000 Euro habe eine alleinerziehende Mutter für ihre kleine Wohnung zahlen sollen. Es sei klar gewesen, dass die Abrechnung fehlerhaft war.
Dass es künftig für Wustermark einen qualifizierten Mietspiegel geben wird, obwohl der erst ab 50 000 Einwohnern Pflicht ist, könnte Mieterhöhungen begrenzen. Die Betriebskosten will die Linke senken, indem mit der Abwärme eines geplanten Rechenzentrums geheizt wird. Die Abwärme gibt es kostenlos. Teuer wird es, ein Leitungsnetz aufzubauen. Der Linken schwebt vor, dass ein kommunales Unternehmen das übernimmt. Zwar reden die Genossen auch mal über Bundespolitik und ärgern sich. Aber lieber widmen sie sich der kommunalen Ebene und bewegen dort etwas. »Wir stecken unsere ganze Kraft hier rein«, sagt Streich.
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