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DFB-Umfrage: Der Wunsch nach einem braunen Sommermärchen
Christian Klemm über eine Umfrage, in der die Zusammensetzung der DFB-Elf kritisiert wird
Seit Wochen mobilisiert die konservative Presse, damit die anstehende Fußball-EM eine Wiederholung des sogenannten Sommermärchens von 2006 wird. Damals war Deutschland praktisch dauerbesoffen vor Glück: Schwarz-Rot-Gold überall. So soll es nach Auffassung von Springer und Konsorten auch diesen Sommer sein. Und wehe die Nagelsmänner holen den Titel nicht. Dann droht die mediale Hinrichtung.
Die Bevölkerung aber hat natürlich wieder etwas zu meckern an dem Nationalpathos. Jedem Fünften ist die deutsche Fußballnationalelf nämlich nicht weiß genug. Und dass mit İlkay Gündoğan ein Mann die Truppe auf den Rasen führt, der einen türkischen Migrationshintergrund hat, stößt immerhin 17 Prozent der Befragten sauer auf. Das muss nach dieser Lesart schon »ein richtiger Deutscher« machen. 66 Prozent hatten sich positiv über die Zusammensetzung des DFB-Teams geäußert. Immerhin.
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An dieser WDR-Umfrage, die im Zusammenhang mit einer Fernsehdokumentation entstanden ist, sind zwei Dinge problematisch. Erstens: das Ergebnis. Es gibt Auskunft darüber, wie rassistisch deutsche Fußball-Fans immer noch sind. Ganz offenbar gibt es eine nennenswerte Gruppe, die noch immer die Mannschaft von Sepp Herberger herbeisehnt. Herberger hat nicht nur 1954 das »Wunder von Bern« als deutscher Nationaltrainer ermöglicht, sondern war auch kurz nach der »Machtergreifung« Hitlers in die NSDAP eingetreten.
Das zweite Problem ist die Umfrage selbst. Wer bitte kommt auf die Idee, Menschen zu fragen, ob die deutsche Nationalmannschaft nicht weiß genug ist? Was kommt als Nächstes? Ob das Team wie »echte Arier« spielt? Oder ob das kommende Turnier in der Tradition der Olympischen Spiele von 1936 stehen soll? In der Schule wurde mir beigebracht, dass es keine dummen Fragen gebe. Doch, die gibt es!
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Letzendlich aber sollten die Antworten auf die Umfrage nicht überraschen. In einem Klima, in dem Pegida-Demos zu »Spaziergängen gegen ›die da oben‹« gemacht werden, politisch Aktive in Potsdam überlegen, wie Millionen Menschen deportiert werden können, Bonzenkinder auf Sylt »Deutschland den Deutschen!« grölen und die AfD im Osten Rekord-Umfrageergebnisse verbuchen kann, ist es nur konsequent, wenn sich Fußballfans eine weißere Manschaft wünschen. Da ist dann der Ruf nach einem neuen (Spiel-)Führer nicht weit.
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