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Angriff auf Michael Stürzenberger: Ein Fanal für Islamhasser
Die Messerattacke von Mannheim mobilisiert die Rechte
Michael Stürzenberger spricht schon wieder. Der 59-jährige Islamhasser gab im Laufe des Wochenendes mehreren rechten Medien und »Bild« Interviews zu der Attacke, die er am Freitagmittag erleiden musste. Eine Mahnwache seiner »Bürgerbewegung« Pax Europa wurde von einem 25-jährigen Mann, der aus Afghanistan stammt, mit einem Messer angegriffen. Neben Stürzenberger wurden auch Unterstützer verletzt. Ein Polizist ist inzwischen seinen Verletzungen erlegen. Der Angreifer wurde angeschossen und schwer verletzt. Die Ermittlungsbehörden vermuten ein islamistisches Motiv, bislang ist der Täter allerdings nicht vernehmungsfähig. Polizei und Verfassungsschutz haben noch keine Erkenntnisse über den 25-jährigen, der mit Frau und Kindern in Hessen lebte und vor zehn Jahren nach Deutschland gekommen war.
Dass so ein Angriff bei einer Kundgebung von Stürzenberger geschieht, kann indes nicht verwundern. Pax Europa tourt mit seinen Kundgebungen durch ganz Deutschland. Bei ihnen dreht sich alles um den Islam und wie gefährlich dieser sei. Provokante Plakate und Reden gehören fest zu Stürzenbergers Repertoire. Was der ehemalige Journalist und CSU-Pressesprecher so treibt, hat ihn schon mehrfach vor Gericht gebracht. Vergleiche des Islams mit einem Krebsgeschwür oder die Verwendung von NS-Symbolen, um die Gefährlichkeit des Islam zu veranschaulichen, sorgten für zahlreiche Prozesse. Meist gingen sie gut aus für Stürzenberger, den der bayerische Verfassungsschutz eine »zentrale Figur der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Szene in Bayern« nennt.
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Die Kundgebungen von Pax Europa werden in aller Regel live auf Youtube gestreamt. Michael Stürzenberger setzt darauf, dass sie auf der Straße Widerspruch ernten. Gerne geht er in den vermeintlichen Dialog mit kritischen Zuschauer*innen. Rhetorisch geschickt schafft er es dabei oft, seine Gesprächspartner*innen schlecht aussehen zu lassen. Ausschnitte der Streams, in denen sich Muslim*innen gegenüber Stürzenberger und seiner Truppe demokratiefeindlich geben, werden gerne und oft in kurzen Clips geteilt. Schon in der Vergangenheit blieb es nicht immer bei Rededuellen, schon mehrfach wurden Pax-Europa-Unterstützer bei Kundgebungen attackiert. Bislang allerdings höchstens mit Faustschlägen.
Der Messerangriff vom Freitag stellt einen neuen Höhepunkt dar. Auch die Tat wurde live ins Netz übertragen. Deswegen vergingen nur wenige Minuten bis Clips des Angriffs auf allen Social-Media-Plattformen auftauchten. Für die extreme Rechte in Deutschland ist der Angriff auf Stürzenberger ein gefundenes Fressen. Von den Führungsköpfen der Heimat (früher NPD) bis zur AfD-Spitze wurden Freitag beinahe im Minutentakt Statements verbreitet. Die Polizei wurde für ihren Einsatz kritisiert, von Mitgliedern der Bundesregierung Stellungnahmen verlangt und allgemein die Existenz von Muslim*innen in Deutschland kritisiert. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, der mehrfach von Stürzenberger interviewt wurde, sprach schnell Genesungswünsche aus. Stürzenberger selbst antwortete Wilders schon am Samstagmorgen auf der Plattform X und erklärte, dass er an ermordete oder verletzte Islamkritiker wie Theo Van Gogh und Salman Rushdie denken müsse, die »für ihre Kritik am Politischen Islam einen hohen Preis bezahlen mussten und müssen«.
Den Angriff auf Stürzenberger zum Fanal stilisieren, das ist auch die Strategie von anderen extrem rechten Akteuren. Der österreichische Identitären-Chef Martin Sellner hat seit Freitag mehrere Videos und Podcasts veröffentlicht, in denen es nur um den Angriff von Mannheim geht. Am Donnerstag wollen seine Identitären vor der deutschen Botschaft in Wien unter dem Motto »Islam-Terror stoppen!« protestieren. Auch in Mannheim sind für diesen Sonntag und den kommenden Freitag Kundgebungen von Rechten angekündigt worden. Die Attacke auf Stürzenberger halten sie für besonders gut geeignet, um Stimmung zu machen. Bestätigung erhalten die extrem rechten Akteur*innen und Boulevardzeitungen wie »Bild« aus der islamistischen Szene. Auf Tiktok etwa feierte ein selbsternannter Imam die Tat und rief zu Wiederholungen auf. Andere Prediger relativierten oder verharmlosten die Tat.
Mindestens bis zur Europawahl werden AfD und Co. wohl die Attacke von Mannheim in das Zentrum ihrer Agitation stellen. AfD-Chefin Alice Weidel verbreitete am Wochenende eine plumpe Fälschung einer Pressemitteilung von Nancy Faeser, in der die Innenministerin angeblich davor warnte, Videos der Tat zu verbreiten, weil dies der AfD nütze. Die gefälschte Pressemitteilung kam von einem Parteifreund Weidels. Er hatte sie als »Satire« gekennzeichnet. Weidel selbst entschuldigte sich am Sonntag dafür, einem Fake aufgesessen zu sein.
Vorsichtiger wird man in der extremen Rechten mit Äußerungen wohl auch in Zukunft nicht sein. Mehrfach wurde am Wochenende von Akteur*innen der Tod des schwer verletzten Polizisten gemeldet. Die Szene will und braucht Märtyrer*innen in ihrem Kampf gegen Muslim*innen. Stürzenberger wäre wohl aus der Sicht einiger Akteur*innen ideal gewesen. Ein toter Polizist wird aber ausreichen, um die eigene Hetze voranzutreiben.
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