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DFB: Die Oliver-Bierhoff-Armee in Weimars Walhalla
BallHaus Ost: Wo sind Quentin Tarantinos Inglorious Basterds, wenn man sie mal braucht?
Eben noch chillte ich friedlich auf einer Bank im Thüringer Wald. Nahe Blankenhain betrachtete ich das rabiate Werk der Tannenstammlaus, als aus dem finsteren Wald eine skurrile Figur im Rotkäppchenkostüm auftaucht. Als versierter Fußballchecker erkenne ich sogleich den Loddar Matthäus unter der Rotkäppchenlarve.
Noch bevor ich angemessen reagieren kann, rumort es abermals im Unterholz – und der Marlboro-Mann gesellt sich zu Loddar. Was soll ich euch sagen, unter dem amerikanischen Cowboyhut grinst mir keck Mario Basler entgegen und steckt sich eine Zigarette verkehrt herum an.
Wir kommen im Frieden, wir sind das Volk, tönen die zwei Flitzpiepen. Was wollt ihr hier, wieso trinkt ihr keinen Schampus auf Sylt, den Pullover über der Plauze, und jodelt italienische Schlager rauf und runter? Wir kommen in Frieden, wir sind das Volk, wiederholen sie ihren Text und rücken mir auf die Pelle.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Näher kommend strecken sie gefährlich ihre Spinnenarme aus und säuseln: Wir sind Abgesandte der Oliver-Bierhoff-Armee, ursprünglich waren wir zu dritt, aber der Jogi Löw im Beckenbauer-Kostüm ist unterwegs verloren gegangen. Olli hat uns für die Fußballrevolution verpflichtet, wir bekommen 666 Euro die Stunde. Wir sollen Rudi und seine Nagelsmännchen der Schicksalsgöttin zuführen. Im deutschen Fußball läuft einiges schief, hat Olli gesagt. Der Herbergersepp (NSDAP-Mitglied seit 1933) ist extra aus dem Grabe auferstanden und besucht diesen Hacke oder Hucke, dessen Armee der Blaumiesen sich mit unseren Kräften des Guten in Weimars Walhalla vereinigen werden.
Wo sind Quentin Tarantinos Inglorious Basterds, wenn man sie mal braucht? Herbergersepp, Basler und Matthäus – du böse Waldfee, warum hast du mir ausgerechnet diese Zombiegestalten der deutschen Fußballunterhaltung vor die Füße gespuckt, rufe ich aus und entferne mich eilends in Richtung des langweiligen Städtchens Blankenhain, das zu DDR-Zeiten mit Gotanpunschdisco nebst Dackelzüchterverein punkten konnte.
Als Weimarer Junge kenne ich jede Ecke des Städtchens, aber nein: Zur Hölle, was war hier passiert? Bei Aldi stehen Horden von Stöckelschuhdamen Schlange, kämmen ihre Haare und singen wunderbar falsch: Wir sind die Spielerfrauen und fordern angemessene Unterhaltung!
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Ist denn die ganze Welt aus den Fugen geraten?
Bremsenquietsch, ein Trabant 501 hält, die Tür geht auf und Peter Ducke, Rüdiger Schnuphase, Eberhard Vogel, Andreas Bielau, Lutz Lindemann und Lothar Kurbjuweit schreien: Komm schnell rein in die rettende Pappe! Rums, ich in den schnuckligen Trabi zu den sieben Musketieren, denn nicht anders waren sie gewandet. Ab zum Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld, dort lagert der Widerstand um Leroy Sané. Er rudert mit den Armen. Hurra, der Spuk ist vorbei, die Armee der Toten wurde besiegt, los ins Stadion zum Kindergeburtstag mit der BRD-Fußballnationalmannschaft.
Die Mannschaft betritt den Rasen. Nagelsmen an der Spitze nestelt am Reißverschluss seiner Rheinmetall-Weste. Ratschfatsch, heraus schlüpft grinsend der Jogi-Löw-Men und kratzt sich am Podex.
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