Drei Femizide in einer Woche: Kein Thema für den Senat

Zwei Frauen nach Trennung umgebracht, »interdiszipli­näre Fallkonferenzen für Hochrisikofälle« auch für Berlin gefordert.

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei einer Demonstration gegen Femizide wird hinter niedergelegten Blumen und Kerzen ein Schild mit der Aufschrift »Keine Mehr« gehalten.
Bei einer Demonstration gegen Femizide wird hinter niedergelegten Blumen und Kerzen ein Schild mit der Aufschrift »Keine Mehr« gehalten.

Innerhalb einer Woche sind in Berlin drei Femizide verübt worden. Zwei Männer brachten Frauen um, die eine Beziehung zu ihnen beendet hatten; in einem Fall tötete ein Mann zudem auch seine Mutter und sich selbst.

Laut Angaben der Polizei soll ein Mann am Dienstag vergangener Woche in Wilmersdorf eine verheiratete Frau erstochen haben. Die beiden hätten eine Liebesbeziehung geführt, die von der Frau jedoch beendet wurde. Dies soll von dem Mann nicht akzeptiert worden sein, was die Polizei als Grund für den Mord vermutet. Am Dienstag wurden der Verdächtige und seine Mutter tot in der Wohnung der Mutter aufgefunden, vieles spreche nach Polizeiangaben dafür, dass der Verdächtige zunächst seine Mutter und dann sich selbst umbrachte.

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Bereits am Montag soll in Köpenick ein Mann seine Ex-Partnerin in ihrer Wohnung getötet haben – laut »B.Z.« sollen sie dort wegen der gemeinsamen Tochter noch zusammengelebt haben. Alarmiert wurde die Polizei vom neuen Partner der Frau, mit dem sie an dem Tag in den Urlaub fahren wollte.

Als Femizid werden Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts bezeichnet. »Hier in Berlin waren es Femizide im sozialen Nahraum, sie können aber auch in anderen Kontexten wie an Sexarbeiter*innen oder aus politischen Gründen, etwa durch Rechtsextreme, verübt werden«, sagt Christina Clemm. Sie ist Autorin und Fachanwältin für Straf- und Familienrecht. Gefährdungssituationen entstünden im sozialen Nahraum meist, wenn es einen Verlust von Macht über die Frau gibt, etwa bei einem Karriereschritt oder einer neuen Partnerschaft, so Clemm. Die gefährlichste Situation sei eine Trennung und die Zeit danach.

Konkret müssten »interdisziplinäre Fallkonferenzen für Hochrisikofälle« auch in Berlin eingeführt werden, fordert die Anwältin. So könnten Informationen aus verschiedenen Institutionen wie Jugendamt, Beratungsstellen, Familiengericht oder Polizei miteinander verknüpft werden, wodurch eine Gefährdung von Frauen leichter identifizierbar ist. Auch brauche es mehr Täterarbeit.

»Wegen der drei Femizide ist die Innensenatorin nicht vor die Kamera getreten«, sagt die Anwältin. Das sei exemplarisch für ein mangelndes Bewusstsein in der Gesellschaft. Der Kampf gegen patriarchale Gewalt bleibe meist Frauen überlassen – auch in linken Kreisen gebe es relativ wenige Männer, die sich des Themas annehmen. »Wir brauchen eine Ächtung von geschlechtsspezifischer Gewalt, das beginnt bei Sexismus«, so Clemm.

Das Netzwerk gegen Feminizide zeigt sich schockiert, aber nicht überrascht: »Jeden Tag probiert in Deutschland ein Mann seine (Ex-)Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag gelingt das.« Eine Instrumentalisierung des Begriffs Feminizid dürfe nicht geschehen, um diskriminierende Narrative zu verbreiten, heißt es in einer Pressemitteilung. Patriarchale Gewalt und Besitzansprüche würden keine Herkunft kennen. Feminizide als solche zu benennen dürfe nur der Anfang sein, »der Kampf darüber hinaus muss aber weitergehen.«

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