Hauptsache, wir kommunizieren besser!

Wenn schlechte Politik besser kommuniziert wird, ist auch nichts besser, findet Sarah-Lee Heinrich

Wohnungsnot, Inflation? ... Egal, man muss es halt besser kommunizieren.
Wohnungsnot, Inflation? ... Egal, man muss es halt besser kommunizieren.

Es gibt ja diese lustige Idee, man könne substanzielle Lücken der Regierungspolitik durch bessere Kommunikation überbrücken. Werden Regierungspolitiker der Ampel in Talkshows nach Selbstkritik an ihrer Performance gefragt, antworten sie meistens: »Wir müssen unsere Arbeit besser kommunizieren« oder »Wir müssen unsere Erfolge an die Menschen bringen«. Nicht die Inhalte der Politik, sondern deren Präsentation werden als Problem wahrgenommen.

Besonders stark fällt das bei Reaktionen von Ampel-Politikern auf die Jugendstudie 2024 aus. 

Was, die Jugend ist unzufrieden mit den Parteien der Mitte? Ein Teil sympathisiert sogar mit der AfD? Woran könnte das liegen? Richtig, die AfD macht einfach den besseren Tiktok-Content.

Sarah-Lee Heinrich

Sarah-Lee Heinrich weiß, was Armut bedeutet. Die Ex-Sprecherin der Grünen Jugend ist in einem Hartz-IV-Haushalt aufgewachsen und engagiert sich seit vielen Jahren gegen soziale Ungleichheit. Sie wirbt für klassenbewusste Ökologie und schreibt jeden zweiten Montag im Monat in »nd.Digital« über Alltag und Ampel.

Hingegen liegt es sicher nicht daran, dass in der Studie 65 Prozent angegeben haben, die gestiegenen Preise würden sie belasten, oder dass 54 Prozent sagen, ihnen bereite der Wohnungsmarkt Sorgen. Und es liegt sicher ganz sicher auch nicht daran, dass sich die Ampel, diese große Fortschrittskoalition, immer deutlicher als Fortsetzung der GroKo erweist.  

Eine Regierung, die den Bedürfnissen junger Menschen nicht gerecht wird, unsere Sorgen nicht ernst nimmt, findet keine Zustimmung. Daran ändern Tiktok-Accounts von Regierungsabgeordneten herzlich wenig. Die Idee, man müsse die Politik nur besser erklären, sie hip auf Tiktok darstellen, nimmt uns Junge nicht ernst. Das ist Realitätsverweigerung.

Mich haben die Ergebnisse der Jugendstudie nicht überrascht. Und dass auch junge Menschen aus Angst um ihre Zukunft rechten Erzählungen auf den Leim gehen, überrascht mich ebenso wenig. Soziale Unsicherheit ist der Nährboden des allgemeinen Rechtsrucks – auch bei jungen Leuten.

Nehmen wir das Beispiel der Bafög-Erhöhung, die letztens beschlossen wurde. Viele meiner Kommilitonen sind knapp bei Kasse. Man jobbt nebenbei, versucht trotzdem in Regelstudienzeit fertig zu werden, weil es sonst noch schwieriger wird. Sie sind angewiesen auf Unterstützung. Und diese Bafög-Unterstützung wird jetzt um ganze 43 Euro im Höchstsatz angehoben. Besser als nichts? Klar! Aber es zeigt gleichzeitig das Problem der Ampelpolitik auf. Denn diese Erhöhung ist viel zu niedrig im Vergleich zu den Kostenanstiegen, die wir beim Einkauf und unserer Miete spüren.

Die Bafög-Reform war eins der Projekte, mit der sich die Ampel von Beginn an geschmückt hat, eins der wenigen sozialen Vorhaben, auf das sie sich einigen konnte. Und wenn sich Ampelpolitiker fragen, warum ihre Zustimmungswerte bei jungen Menschen nicht mehr so hoch sind, wie sie zu Beginn waren – hier ist die Antwort.

Versucht doch mal ein Tiktok zu drehen, wo ihr die Erhöhung von Bafög um 43 Euro als großen Erfolg verkauft. Egal, wie professionell ihr das schneidet, wie gut die unterlegte Musik ist, das wird nicht zünden.

Die Ampel repräsentierte für viele junge Menschen die Hoffnung, dass sich nach den GroKo-Jahren endlich etwas ändern könnte. Diese Hoffnung wurde nicht erfüllt. Ich find's ja gut, wenn sich Politiker mehr Mühe geben, auf sozialen Medien präsent zu sein. Wichtiger wäre mir aber, die Regierung würde eine Politik machen, die dadurch im Leben der Menschen ankommt, dass sich etwas verbessert.

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