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  • Kommentar zum Anschlag in der Keupstraße

NSU-Terror: Verharmlosung staatlichen Wegschauens

Jana Frielinghaus zur Präsidentenrede am 20. Jahrestag des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße

Hoher Besuch im vom Anschlag vor 20 Jahren am stärksten betroffenen Geschäft auf der Kölner Keupstraße: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M), Hendrik Wüst (CDU, 3.v.r), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Henriette Reker (parteilos, 2.v.r), Oberbürgermeisterin von Köln, im Gespräch mit den Inhabern Hasan (Mitte l) und Özcan Yildirim (Mitte r)
Hoher Besuch im vom Anschlag vor 20 Jahren am stärksten betroffenen Geschäft auf der Kölner Keupstraße: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M), Hendrik Wüst (CDU, 3.v.r), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Henriette Reker (parteilos, 2.v.r), Oberbürgermeisterin von Köln, im Gespräch mit den Inhabern Hasan (Mitte l) und Özcan Yildirim (Mitte r)

Nein, Herr Steinmeier, die von Ihnen behauptete umfassende und »akribische« Aufarbeitung des NSU-Terrors hat es nicht gegeben. Genau das behauptete der Bundespräsident am 20. Jahrestag des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße. Letztlich hat er damit die Betroffenen und die Opfer der anderen Mordtaten des Neonazisnetzwerks einmal mehr verhöhnt.

Ja, es gab viele Untersuchungsausschüsse und einen Prozess. Doch letzterer dürfte das einzige Verfahren gegen das rechte Netzwerk bleiben. Und von Anfang an legte sich das Gericht in München darauf fest, dass der NSU eine kleine Gruppe um das »Kerntrio« war. Nur wenige Männer waren neben Beate Zschäpe als »Helfer« angeklagt, kamen mit geringen Strafen davon. Namen und Aufenthaltsorte weiterer mutmaßlicher NSU-Leute wurden durch Medienrecherchen aufgedeckt, doch die Justiz interessiert sich bis heute nicht für sie.

Und bei der Aufarbeitung in den Parlamenten blockierten Verfassungsschutz und andere Behörden sowie Regierungsparteien immer wieder erfolgreich die Herausgabe von Akten. Es war fast ausschließlich die Hartnäckigkeit von Basisinitiativen, von Linke-Politikern in Landesparlamenten, insbesondere in Hessen, von Opferanwälten und von Journalisten, die Aufklärung brachten.

Der oberste Repräsentant des deutschen Staates hat in seiner Rede am Sonntag zudem die übliche Verharmlosung dessen betrieben, was mitnichten ein »Versagen« von dessen Sicherheitsbehörden war. Denn Ermittler waren nicht auf dem rechten Auge »blind«, sondern ignorierten aktiv augenfällige Hinweise. Und sogenannte Verfassungsschützer schützten vor allem ihre V-Leute aus dem NSU-Umfeld, also Schwerstkriminelle. Dafür vernichteten sie in unfassbarem Umfang Akten. Dazu kommt das sehr merkwürdige Ableben mehrerer Personen, die als Zeugen aussagen wollten.

Solange ein Bundespräsident auf die Verantwortung der Zivilgesellschaft beim Kampf gegen »Extremismus« verweist, solange die Bundesregierung eine echte Aufklärung rechter Terrornetzwerke nicht zur Chefsache erklärt, so lange ist nichts gut in der angeblich so stabilen deutschen Demokratie.

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