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Spannungen im Elektroanlagenbau

Prozess am Landesarbeitsgericht: Mitarbeiter wegen Betriebsratstätigkeit degradiert oder nicht?

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Die beiden Geschäftsführer der GmbH hätten auf die mehr als 120 Kilometer lange Anfahrt aus Südbrandenburg zum Landesarbeitsgericht in Berlin gern verzichtet, auch auf die nervige Suche nach einem Parkplatz in der Gegend am Magdeburger Platz. Und das alles wegen elf Kilometern mehr, die ein Beschäftigter statt zum Stammsitz des Unternehmens in Uebigau-Wahrenbrück für vier Wochen zum Standort Lönnewitz pendeln sollte und nicht wollte?

Streit um Urlaubstage und Lohn

Aber es steckt mehr dahinter, wie sich bei der Gerichtsverhandlung am Freitag zeigte. Es ging in dem Berufungsverfahren vordergründig um eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Cottbus über vier Abmahnungen, fünf Urlaubstage und die Nachzahlung von rund 2400 Euro Lohn.

René J., von Beruf Elektroniker für Betriebstechnik, hielt die Versetzung für Schikane und auch für rechtswidrig, weil der Betriebsrat dazu nicht angehört wurde. Das weiß er deshalb so genau, weil er als Mitglieder der IG Metall und auf der Liste dieser Gewerkschaft gewählt, dem Betriebsrat selbst angehört.

Sein Elektroanlagenbau fertigt nach Angaben der Geschäftsleitung Produkte für die Energiewende. »Die werden uns aus den Händen gerissen.« Da die Nachfrage kaum zu befriedigen sei und ein Zulieferer an seine Kapazitätsgrenzen stieß, sei entschieden worden, innerhalb eines knappen Dreiviertel Jahres für drei Millionen Euro eine neue Halle am Standort Lönnewitz zu bauen. Nun brauchte die bewusste Halle natürlich auch eine Elektroinstallation – und da die Fachkompetenz in der GmbH vorhanden ist, sollte darauf zurückgegriffen werden. Die Verteilerkästen, die dort einzubauen waren, würden doch in dem Meisterbereich hergestellt, in dem René J. stellvertretender Fertigungsleiter sei. Da sollte er vor Ort vier bis fünf Elektriker bei Fragen zur Montage anleiten, hieß es jetzt. Er hätte in dem Rohbau einen Schreibtisch mit Computer gehabt wie in seinem Büro am Hauptsitz des Unternehmens. Von einer beabsichtigten Degradierung könne keine Rede sein. Niemand habe verlangt, dass J. dort niedere Arbeiten verrichte, selbst auf den Knien herumrutsche, Wände aufstemme und Kabel ziehe.

Kandidaten der IG Metall versetzt

René J. versicherte seinerseits, er wäre sich dafür unter anderen Bedingungen nicht zu schade gewesen, auch wenn das nicht ganz seiner Ausbildung entspreche und er sowas die letzten 20 Jahre nicht gemacht habe – seit dem Jahr 2000 ist er im Betrieb, seit 2018 Betriebsrat. Und übrigens: Die Verteilerkästen würden keineswegs in seinem Meisterbereich produziert, sondern in der Nachbarabteilung. Aber es sei alles unklar gewesen, als er nach Lönnewitz sollte. Da auch andere, die wie er im Jahr 2022 auf der Liste der IG Metall für den Betriebsrat kandidierten, strafversetzt oder aus der Firma gedrängt worden seien, habe es eindeutig danach ausgesehen, dass ihm das ebenfalls widerfahren würde und dass er für immer nach Lönnewitz abgeschoben werden sollte. Darum habe er sich geweigert. Dass er Abmahnungen wegen angeblicher Arbeitsverweigerung auch noch nach Ablauf der anvisierten vier Wochen kassierte, bestätigte J. in seinen Befürchtungen.

Aber es wäre doch in vier Wochen getan gewesen, beteuerte einer der beiden Geschäftsführer vor dem Landesarbeitsgericht. Nur weil J. unerwartet so einen Aufstand gemacht habe, sei der Abschluss der Arbeiten vier bis sechs Wochen nach hinten geworfen worden. Man wolle doch eigentlich keine der dringend benötigten Fachkräfte loswerden, versuchte die GmbH zu versichern. J. allerdings steht im Moment sowieso nicht zur Verfügung. Er ist krankgeschrieben.

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Einigung auf einen Vergleich

Der Richter wünschte sich einen Vergleich, bei dem sich beide Seiten entgegenkommen und künftig vielleicht wieder gedeihlich miteinander arbeiten können. Doch danach sah es nicht aus. Es ist noch eine Reihe weiterer Streitsachen anhängig. Erledigt hat sich im Januar vor dem Arbeitsgericht Cottbus immerhin die Auseinandersetzung über ein Verbot für J., bestimmte Werkshallen zu betreten. Er argwöhnte, er solle daran gehindert werden, Kollegen am Arbeitsplatz aufzusuchen und sie zu agitieren – oder besser gesagt: Sich deren Sorgen anzuhören und im Betriebsrat für Lösungen zu kämpfen. Dieses Verfahren im Januar war aber innerhalb von Minuten erledigt, weil der per Videotechnik zugeschaltete Rechtsanwalt der Firma erklärte, ein Betretungsverbot bestehe aktuell nicht mehr.

Zu einer Gesamteinigung, mit der alle Streitigkeiten beigelegt werden, kam es am Freitag nicht, wohl aber zu einem Vergleich im aktuellen Fall: Die vier Abmahnungen werden aus der Personalakte herausgenommen. 2047 Euro vorenthaltenen Lohn erhält J. nachgezahlt. Er verzichtet im Gegenzug auf die übrigen 286 Euro und auf sieben Tage Urlaub. Ob es fünf oder zehn Urlaubstage sein sollen, darüber gab es noch ein kurzes Hin und Her. Der Richter schlug als Kompromiss acht Tage vor, woraufhin ein Geschäftsführer einwarf, man könne sogar auch mit sieben Tagen leben, die nun als abgegolten vermerkt werden.

Spätestens am 26. Juli wird man sich wiedersehen – und das wieder wegen einer Abmahnung. Dann vor dem Arbeitsgericht Cottbus bei einem Anfahrtsweg von rund 100 Kilometern. Zumindest herrscht jedoch am Gerichtssitz an der Vom-Stein-Straße kein Mangel an Parkplätzen.

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