- Berlin
- Verkehr
Berlin: Straßenpoller in der Kritik
Verkehrssenatorin appelliert an Bezirke, Straßenpoller abzureißen
Immer wieder sorgen Staßenpoller in Berlin für kontroverse Diskussionen. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) hat nun Zweifel an dem Instrument zur Verkehrslenkung angemeldet. »Wenn bestehende Poller Rettungswege einschränken, müssen die aus meiner Sicht abgebaut werden«, sagte sie dem »Tagesspiegel«. »Es kann nicht sein, dass Rettungskräfte in irgendeiner Art behindert und dadurch Menschenleben gefährdet werden.«
Mit Straßenpollern soll der Verkehr in Durchgangsstraßen besser gesteuert werden, indem die Zahl der Zufahrtswege reduziert wird. Zudem werden mit ihnen Fußgängerzonen abgesperrt. Üblich ist, dass die Poller in bestimmten Fällen abgesenkt werden können. So werden etwa an der Fußgängerzone am Lausitzer Platz in Kreuzberg die Poller jeden Morgen von neun bis elf Uhr automatisch heruntergefahren, um Lieferverkehr zu ermöglichen. Feuerwehrfahrzeuge und Rettungsfahrzeuge sind mit einem Transponder ausgestattet, um elektronische Poller abzusenken, für mechanisch funktionierende Poller gibt es einen Universalschlüssel, mit dem das Radlager bedient werden kann.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Letzteres funktioniert allerdings nicht immer reibungslos. In jüngerer Vergangenheit sorgten zwei Vorfälle für Aufsehen: Im November konnte die Belegschaft eines Krankenwagens die Straßenpoller am Lausitzer Platz nicht absenken, ihr Einsatz verzögerte sich dadurch um zehn Minuten. Im Dezember sorgte ein beschädigter Poller am Maybachufer in Neukölln dafür, dass die Feuerwehr einen Umweg über den Gehweg nehmen musste. Zwei Minuten gingen so verloren.
Die Entscheidung darüber, ob die Poller abgebaut werden, liegt allerdings nicht bei der Senatsverkehrsverwaltung, sondern bei den Straßenämtern der Bezirke. »Ich appelliere an die Bezirke, mit vernünftigen Maßnahmen zu agieren«, kann Bonde daher nur sagen.
Dort blickt man allerdings deutlich positiver auf die Straßensperren. »Die Straßenpoller dienen der Verkehrssicherheit«, sagt Jochen Biedermann (Grüne), Bezirksverkehrsstadtrat in Neukölln. »Wir können mit ihnen auf Unfallschwerpunkte reagieren.« Autofahrer ignorierten häufig einfache Straßenschilder. »Wir würden uns alle wünschen, dass die Poller nicht notwendig wären«, sagt Biedermann. Sie seien aber alternativlos. Ob die bisher aufgestellten Poller einen Einfluss auf das Unfallgeschehen hatten, könne aktuell aber noch nicht abgesehen werden.
»Wenn Poller installiert werden, gibt es im Vorfeld eine Beteiligung der Feuerwehr«, sagt Annika Gerold (Grüne), Bezirksverkehrsstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg. »Nach der Berichterstattung zum Lausitzer Platz haben wir bei der Feuerwehr nachgefragt und keine weiteren Problemmeldungen erhalten.« Es komme allerdings immer wieder zu Vandalismus, der die Poller beschädigt zurücklässt. Daher gebe es regelmäßige Kontrollgänge, um defekte Geräte zu finden. In Neukölln wurde nach dem Vorfall im Dezember die Zahl der Kontrollen erhöht, berichtet der dortige Bezirksstadtrat Jochen Biedermann.
In beiden Bezirken sollen auch weiter Poller verlegt werden. »Ich glaube, dass sie weiter notwendig sein werden«, sagt Biedermann. Er wünscht sich aber einen Dialog zwischen Bezirken, Senatsverkehrs- und -innenverwaltung, um stadtweite Standards zu etablieren und Probleme zu identifizieren. In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es schon konkrete Planungen für weitere Poller: Im Kiez am Ostkreuz in Friedrichshain soll der Verkehr beruhigt werden. »Da werden auch Poller zum Einsatz kommen«, berichtet Annika Gerold.
»Die Verzögerung in der Einsatzbearbeitung, die durch verkehrsbeschränkende Maßnahmen wie Poller ausgelöst werden, ist eine von vielen Ursachen, die es der Berliner Feuerwehr erschweren, die Einsatzstellen unverzögert zu erreichen«, sagt ein Sprecher der Berliner Feuerwehr auf nd-Anfrage. »Aus Sicht der Berliner Feuerwehr stellt grundsätzlich jede Änderung des Verkehrsflusses durch Diagonalsperren, Poller, Einbauten in die Verkehrsfläche, Verknappung der Bewegungsfläche für Fahrzeuge eine mögliche Behinderung der Einsatzmittel dar.« Die Beteiligung der Feuerwehr bei Verkehrsberuhigungsmaßnahmen finde aktuell unstrukturiert statt. Man wünsche sich daher, dass ein »einheitlicher Beteiligungsprozess« bei geplanten Maßnahmen etabliert werde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.